Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Erste Hälfte. (55a)

4 Vas NVeuische Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 8.) 
munalverbände in Aussicht genommen sind. Daneben soll die gesetzliche 
Ordnung des Kommunalabgabenwesens in zahlreichen Einzelheiten nach den 
Bedürfnissen des praktischen Lebens und den Hinweisen der Rechtsprechung 
fortgebildet oder der veränderten Rechtslage entsprechend ergänzt werden. 
Im Anschluß an die Novelle zum Landesverwaltungsgesetz wird Ihnen 
ferner ein Gesetzentwurf über die Feststellung von Zuständigkeiten im Volks- 
und Privatschulwesen zugehen. — Der im Vorjah nicht mehr zur Verab- 
schiedung gelangte Entwurf eines Ausgrabungsgesetzes wird Ihnen wiederum 
vorgelegt werden. — Eine Neuordnung des Rechtes der Familienfidei- 
kommisse ist geboten, um an Stelle des bestehenden unübersichtlichen Rechts- 
zustandes ein einheitliches, der Entwicklung des Wirtschaftslebens ent- 
sprechendes Recht zu setzen. Ein zu diesem Zweck aufgestellter umfassender 
Gesetzentwurf, der sich auch auf Familienstiftungen erstreckt, wird Ihrer 
Beschlußfassung alsbald unterbreitet werden. — Schließlich wird Sie der 
Entwurf eines Grundteilungsgesetzes beschäftigen, das dazu bestimmt ist, 
der unwirtschaftlichen Zerschlagung ländlicher Grundstücke entgegenzutreten, 
auf der anderen Seite aber die Teilung solcher Grundstücke zur Förderung 
der inneren Kolonisation zu erleichtern. — M. H.! Es sind hiernach gesetz- 
geberische Maßnahmen von großer Tragweite für das Wirtschaftsleben und 
den kulturellen Fortschritt unseres Volkes, die neben der zeitgemäßen Re- 
form unserer Verwaltungseinrichtungen den Gegenstand Ihrer Beratungen 
bilden werden. Dank der gemeinsamen Bemühungen der Großmächte ist der 
Weltfriede, dessen Störung auch unserer nationalen Wohlfahrt die schwersten 
Wunden schlagen würde, erhalten und gesichert worden. Auf dieser Grund- 
lage wird auch Ihre Arbeit, m. H., eine nutzbringende sein und dem Vater- 
lande — darauf können wir vertrauen — zum Segen gereichen. 
8. Januar. (Preußisches Herrenhaus.) Das frühere Prä- 
sidium bestehend aus den Herren v. Wedel-Piesdorf, v. Becker und Frei- 
herrn v. Landsberg-Steinfurt wird durch Akklamation wieder gewählt. 
8. Januar. (Preußisches Abgeordnetenhaus.) Vorlage 
des Etats durch den Finanzminister Dr. Lentze. 
Aus der Etatsrede des Finanzministers: Erfreulicherweise 
schließt der Etat ohne einen Fehlbetrag ab. Die Situation ist nicht mehr 
glänzend, aber durchaus befriedigend. Ebenso befriedigend ist die Aussicht 
auf das kommende Jahr. Jedoch sind verschiedene Unsicherheiten vorhanden, 
an denen wir nicht achtlos vorübergehen dürfen, und welche uns Vorsicht 
gebieten für die Zukunft. Aus meinen Ausführungen werden Sie ersehen, 
daß unsere dauernden Staatsausgaben stark im Steigen begriffen sind, 
während unsere Einnahmen teils den Konjunkturschwankungen unterliegen, 
teils durch die neuen Reichsfinanzgesetze beschnitten sind, sodaß es voraus- 
sichtlich in den nächsten Jahren nicht möglich sein wird, durch Inanspruch- 
nahme der Mittel des Ausgleichsfonds der Eisenbahnen oder anderer Ueber- 
schüsse der Eisenbahnen die vorhandenen Steuerquellen zu vermindern. Sie 
werden selbst erkennen, daß der von vielen Seiten geäußerte Wunsch, die 
Steuerzuschläge wegfallen zu lassen oder zu ermäßigen, sich aus Mangel 
an Ersatzmitteln nicht hat ermöglichen lassen. Nun kommt der Rückblick auf 
das zuletzt abgeschlossene Jahr 1912. Vor zwei Jahren, bei der Aufstellung 
des Etats 1912, waren die wirtschaftlichen Verhältnisse in Preußen günstige: 
die Konjunktur war eine ansteigende. Anderseits mußte aber in Betracht ge- 
zogen werden, daß eine namhafte Steigerung der Eisenbahneinnahmen auf 
das mehrmonatige Versiegen der Wasserstraßen zurückzuführen war. Es konnte 
nicht damit gerechnet werden, daß diese außergewöhnlichen Umstände auch für 
 
	        
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