Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Erste Hälfte. (55a)

Bas Deuische Reich und seint einzeluen Glieder. (August 3.) 372e 
versichern, daß eine Aktion, die er für notwendig hielte, um der gegen 
den Bestand der Monarchie gerichteten Bewegung in Serbien ein Ende zu 
machen, unsere Billigung finden würde. Wir waren uns hierbei wohl 
bewußt, daß ein etwaiges kriegerisches Vorgehen Oesterreich-Ungarns gegen 
Serbien Rußland auf den Plan bringen und uns hiermit unserer Bundes- 
pflicht entsprechend in einen Krieg verwickeln könnte. Wir konnten aber 
in der Erkenntnis der vitalen Interessen Oesterreich-Ungarns, die auf dem 
Spiele standen, unserem Bundesgenossen weder zu einer mit seiner Würde 
nicht zu vereinbarenden Nachgiebigkeit raten noch auch ihm unseren Bei- 
stand in diesem schweren Moment versagen. Wir konnten dies um so 
weniger, als auch unsere Interessen durch die andauernde serbische Wühl- 
arbeit auf das empfindlichste bedroht waren. Wenn es den Serben mit 
Runßlands und Frankreichs Hilfe noch länger gestattet geblieben wäre, den 
Bestand der Nachbarmonarchie zu gefährden, so würde dies den allmählichen 
Zusammenbruch Oesterreichs und eine Unterwerfung des gesamten Slawen- 
tums unter russischem Zepter zur Folge haben, wodurch die Stellung der 
germanischen Rasse in Mitteleuropa unhaltbar würde. Ein moralisch 
geschwächtes, durch das Vordringen des russischen Panflawiemus zusammen- 
brechendes Oesterreich wäre für uns kein Bundesgenosse mehr, mit dem wir 
rechnen könnten, wie wir es angesichts der immer drohender werdenden 
Haltung unserer östlichen und westlichen Nachbarn müssen. Wir ließen 
daher Oesterreich völlig freie Hand in seiner Aktion gegen Serbien. Wir 
haben an den Vorbereitungen dazu nicht teilgenommen. 
Oesterreich wählte den Weg, in einer Note der serbischen Regierung 
ausführlich den durch die Untersuchung des Mordes von Serajewo fest- 
gestellten unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Morde und der von 
der serbischen Regierung nicht nur geduldeten, sondern unterstützten groß- 
serbischen Bewegung darzulegen und von ihr eine vollständige Abstellung 
dleses Treibens sowie Bestrafung der Schuldigen zu fordern. Gleichzeitig 
verlangte Oesterreich-Ungarn als Garantie für die Durchführung des Ver- 
fahrens Teilnahme seiner Organe an der Untersuchung auf serbischem 
Gebiet und definitive Auflösung der gegen Oesterreich Ungarn wühlenden 
großserbischen Vereine. Die k. u. k. Regierung stellte eine Frist von 
18 Stunden zur bedingungslosen Annahme ihrer Forderungen. Die serbische 
Regierung hat einen Tag nach Ueberreichung der österreichisch ungarischen 
Note die Mobilisation begonnen. Als nach Ablauf der Frist die serbische 
Regierung eine Antwort erteilte, die zwar in einigen Punkten die Wünsche 
Oesterreich--Ungarns erfüllte, im wesentlichen aber demtlich das Bestreben 
erkennen ließ, durch Verschleppung und neue Verhandlungen sich den 
gerechten Forderungen der Monarchie zu entziehen, brach diese die diplo- 
matischen Beziehungen zu Serbien ab, ohne sich auf weitere Verhandlungen 
einzulassen oder sich von serbischen Versicherungen hinhalten zu lassen, deren 
Wert es genugsam — zu seinem Schaden — kennt. 
Von diesem Augenblick an befand sich Oesterreich tatsächlich im 
Kriegszustande mit Serbien, denn es dann noch durch die offizielle Kriegs- 
erklärung vom 28. d. Mts. öffentlich proklamierte. 
Vom ersten Anfang des Konflikts an haben wir auf dem Standpunft 
gestanden, daß es sich hierbei um eine Angelegenheit Oesterreichs handelte, die 
es allein mit Serbien zum Austrag zu bringen haben würde. Wir haben daher 
unser ganzes Bestreben darauf gerichtet, den Krieg zu lokalisieren und die an- 
deren Mächte davon zu überzeugen, daß Oesterreich-Ungarn in berechtigter 
Notwehr und durch die Verhällnisse gezwungen sich zum Apvell an die Waffen 
habe entschließen müssen. Wir haben nachdrücklich den Standpunkt vertreten, 
daß kein Kulturstaat das Recht habe, in diesem Kampf gegen Unkultur und
	        
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