3721 Das Bentsche Reicz und seine einzelnen Glieder. (August 3.)
politische Verbrechermoral Oesterreich in den Arm zu fallen und die Serben
ihrer gerechten Strafe zu entziehen. In diesem Sinne haben wir unsere
Vertreter im Ausland instruiert.
Gleichzeitig teilte die österreichisch-ungarische Regierung der russischen
mit, daß der von ihr bei Serbien unternommene Schritt lediglich eine
defensive Maßregel gegenüber den serbischen Wühlereien zum Ziele habe,
daß aber Oesterreich-Ungarn notgedrungen Garantien für ein weiteres
freundschaftliches Verhalten Serbiens der Monarchie gegenüber verlange.
Es liege Oesterreich-Ungarn gänzlich fern, etwa eine Verschicbung der
Machtverhältnisse auf dem Balkan herbeizuführen. Auf unsere Erklarung,
daß die deutsche Regierung die Lokalisierung des Konflikts wünsche und
erstrebe, wurde sowohl von der französischen als der englischen Regierung
eine Wirkung in dem gleichen Sinne zugesagt. Diesen Bestrebungen gelang
es indessen nicht, eine Einmischung Rußlands in die österreichisch--serbische
Auseinandersetzung zu verhindern.
Die russische Regierung erließ am 21. Juli ein amtliches Kommu-
niqué, wonach Rußland unmöglich in dem serbisch-österreichischen Konflikt
indifferent bleiben könnte. Das gleiche erklärte der russische Minister des
Auswärtigen, Herr Ssasonow, dem Kreiserlichen Botschafter Grasen Pour-
tales. Am Nachmittag des 26. Juli ließ die k. u. k. Regierung abermals
durch ihren Botschafter in St. Petersburg erklären, daß Oesterreich-Ungarn
keinerlei Eroberungspläne habe und nur endlich an seinen Grenzen Ruhe
haben wolle. Im Laufe des gleichen Tages gelangten indes bereits die
ersten Meldungen über russische Mobilmachungen nach Berlin. Noch am
26. abends wurden die Kaiserlichen Botschafter in London, Paris und
Petersburg angewiesen, bei den Regierungen Englands, Frankreichs und
Rußland energisch auf die Gefahr dieser russischen Mobilisierungen hin-
zuweisen. Nachdem Oesterreich Ungarn Rußland offiziell erklärt habe, daß
es keinen territorialen Gewinn in Serbien anstrebe, liege die Entscheidung
über den Weltfrieden ausschließlich in Petersburg. Noch am gleiche Tage
wurde der Kaiserliche Botschafter in St. Petersburg angewiesen, der ruf-
sischen Regierung zu erklären: „Vorbereitende militärische Maßnahmen
Rußlands werden uns zu Gegenmaßregeln zwingen, die in der Mobili-
sierung der Armee bestehen müssen. Die Mobilisierung aber bedeutet
den Krieg. Da uns Frankreichs Verpflichtungen gegenüber Rußland be-
kannt sind, würde diese Mobilisierung gegen Rußland und Frankreich
zugleich gerichtet sein. Wir können nicht annehmen, daß Rußland einen
solchen europäischen Krieg entfesseln will. Da Oesterreich-Ungarn den Bestand
des serbischen Königreichs nicht antasten will, sind wir der Ansicht, daß
Rußland eine abwartende Stellung einnehmen kann. Den Wunsch Rußlands,
den Bestand des serbischen Königreichs nicht in Frage stellen zu lassen,
werden wir um so eher unterstützen können, als Oesterreich-Ungarn diesen
Bestand gar nicht in Frage stellt. Es wird leicht sein, im weiteren Verlauf
der Angelegenheit die Basis einer Verständigung zu finden.“
Am 27. Juli erklärte der russische Kriegsminister Ssuchomlinowm
dem deutschen Militärattachkzehrenwörtlich, daß noch keine Mobilmachungs-
order ergangen sei. Es würden lediglich Vorbereitungsmaßregeln getroffen,
kein Pferd ausgehoben, kein Reservist eingezogen. Wenn Oesterreich-Ungarn
die serbische Grenze überschreite, würden die auf Oesterreich gerichteten
Militärbezirke Kiew, Odessa, Moskau, Kasan mobilisiert. Unter keinen Umstän-
den die an der deutschen Front liegenden: Petersburg, Wilna und Warschau.
Auf die Frage des Militärattaches, zu welchem Zwecke die Mobilmachung
gegen Oesterreich Ungarn erfolge, antwortete der russische Kriegsminister mit
Achselzucken und dem Hinweis auf die Diplomaten. Der Militärattaché