Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Erste Hälfte. (55a)

Das Berische Reic und seine einzelnen Glieder. (August 4.) 385 
daß, solange England neutral bleibt, wir auch bereit wären, im Falle der 
Gegenseitigkeit keine feindlichen Operationen gegen die französische Handels- 
schiffahrt vorzunehmen. 
Meine Herren, so weit die Hergänge. Ich wiederhole das Wort 
des Kaisers: „Mit reinem Gewissen zieht Deutschland in den Kampf!"“ 
Bir kämpfen um die Früchte unserer friedlichen Arbeit, um das Erbe 
einer großen Vergangenheit und um unsere Zukunft. Die fünfzig Jahre 
sind noch nicht vergangen, von denen Moltke sprach, daß wir gerüstet 
dastehen müßten, um das Erbe, um die Errungenschaften von 1870 
zu verteidigen. Jetzt hat die große Stunde der Prüfung für unser Volk 
geschlagen. Aber mit heller Zuversicht sehen wir ihr entgegen. Unsere 
Armee steht im Felde, unsere Flotte ist kampfbereit — hinter ihr das ganze 
deutsche Volk! (Andauernder lebhafter Beifall und Händeklatschen auf allen 
Seiten des Hauses und auf den Tribünen. — Der Reichstag erhebt sich.) — 
Das ganze deutsche Volk bis auf den letzten Mann! (Wiederholter stürmischer 
Beifall.) Sie, meine Herren, kennen Ihre Pflicht in ihrer ganzen Größe. 
Die Vorlagen bedürfen keiner Begründung mehr. Ich bitte um ihre schnelle 
Erledigung. (Stürmischer Beifall.) 
Präsident Dr. Kaempf: Der Ernst der Lage, über den niemand 
unter uns sich mehr hat täuschen können, ist in seinem vollsten Umfange 
und in seiner vollen Schwere in den Worten unseres Herrn Reichskanzlers 
zum Ausdruck gekommen. Wir befinden uns mächtigen Gegnern gegenüber, 
die uns von rechts und links bedrohen, ohne Kriegserklärung über unsere 
Grenzen hereingebrochen sind, und die uns den Kampf zur Verteidigung 
unseres Vaterlandes ausgezwungen haben. Wir sind uns bewußt, daß der 
Krieg, in den zu ziehen wir gezwungen sind, ein Kampf der Abwehr ist, 
gleichzeitig aber auch für Deutschland ein Kampf um die höchsten geistigen 
und materiellen Güter der Nation, ein Kampf auf Leben und Tod, ein 
Kampf um unsere ganze Existenz. Der Augenblick, in dem der Reichstag 
sich anschickt, angesichts des Ausbruches des Krieges die Gesetze zu votieren, 
die für den Krieg und für das Wirtschaftsleben der Nation während des 
Krieges die sichere Grundlage zu bieten bestimmt sind, ist ein feierlicher 
und tiefernster, zu gleicher Zeit aber auch ein unendlich großer und er- 
hebender. Schwere Lasten müssen dem ganzen Volke auferlegt, schwere 
Opfer von jedem einzelnen gefordert werden; aber es gibt niemand im 
ganzen Deutschen Reiche, der nicht ein volles Verständnis hätte für das, 
was auf dem Spiele steht und freudig diese Lasten übernimmt, freudig 
bereit ist, diese Opfer dem Vaterlande darzubringen. Die Begeisterung, die 
wie ein Sturm durch das ganze Land braust, ist uns Zeuge davon, daß 
das ganze deutsche Volk Gut und Blut zu opfern gewillt ist für die Ehre 
des Deutschen Reiches. Niemals hat das Volk einmütiger zusammengestanden 
als heute. Auch diejenigen, die sonst sich grundsätzlich als Gegner des 
Krieges bekennen, eilen zu den Fahnen. Ihre Vertreter im Reichstage 
bewilligen ungesäumt die für die Verteidigung des Reiches notwendigen 
Mittel. Die Gesamtheit des Volkes steht somit fest und brüderlich ein für 
die Sühne des uns zugefügten Unrechtes und für die Abwehr des uns 
ausgezwungenen Kampfes. Wir wissen uns hierbei eins mit den verbündeten 
egierungen. Wir alle, Regierungen und Volk, haben nur den einen Ge- 
danken: Ehre, Wohlfahrt und Größe des Deutschen Reiches. So zieht das 
Volk in Waffen im Bewußtsein seiner Stärke hinaus in den heiligen Kampf, 
alt und jung von gleicher Begeisterung durchdrungen. Aus den Augen 
unserer Brüder und Söhne blitzt der alte deutsche Kampfesmut. Siegesfroh 
und siegesgewiß stehen wir zur Leitung unseres Heeres und unserer Marine; 
die Einmütigkeit der ganzen Nation, die Stärke des Volkes in Waffen, die 
Europälscher Geschichtskalender. LV. 25
	        
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