Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Erste Hälfte. (55a)

Des Derische Reich und seine einzelnen Glieder. (August 4.) 387 
Meine Herren! Am Schlusse dieser kurzen, aber ernsten Tagung ein kurzes 
Wort. Nicht nur das Gewicht Ihrer Beschlüsse gibt dieser Tagung ihre 
Bedeutung, sondern der Geist, aus dem heraus diese Beschlüsse gefaßt sind, 
der Geist der Einheit Deutschlands, des unbedingten, rückhaltlosen, gegen- 
seitigen Vertrauens auf Leben und Tod. Was uns auch beschieden sein 
mag, der 4. August 1914 wird bis in alle Ewigkeit hinein einer 
der größten Tage Deutschlands sein. Seine Majestät der Kaiser und 
Seine hohen Verbündeten haben mir den Auftrag gegeben, dem Reichstage 
zu danken. 
Darauf wurde der Reichstag bis zum 24. November vertagt. 
4. August. Heute nachmittag kurz nach der Rede des Reichs- 
kanzlers, in der er bereits den durch Betreten belgischen Gebiets 
begangenen Verstoß gegen das Völkerrecht anerkannte und den Willen 
des deutschen Volkes, die Folgen wieder gut zu machen, erklärt hatte, 
erschien der Botschafter Großbritanniens Sir Edward Goschen im 
Reichstage, um dem Staatssekretär v. Jagow eine Erklärung seiner 
Regierung zu machen. In dieser wurde die deutsche Regierung um 
alsbaldige Antwort auf die Frage ersucht, ob sie die Versicherung 
abgeben könne, daß keine Verletzung der belgischen Neutralität statt- 
finden würde. Der Staatssekretär erwiderte sofort, daß dies nicht 
möglich sei, und setzte nochmals die Gründe auseinander, die Deutsch- 
land zwingen, sich gegen den Einfall einer französischen Armee durch 
Betreten belgischen Bodens zu sichern. Kurz nach 7 Uhr erschien 
der großbritannische Botschafter im Auswärtigen Amt, um den Krieg 
zu erklären und seine Pässe zu fordern. 
Vgl. den Bericht Sir Edward Goschens S. 581 ff. 
4. August. (Preußen.) Allgemeiner Gnadenerlaß des Kaisers, 
der sich namentlich auf Verfehlungen auf politischem Gebiete, ferner 
auf solche Straftaten erstreckt, die aus wirtschaftlicher Bedrängnis 
hervorgegangen sind. 
Gleiche Erlasse ergehen in den übrigen deutschen Bundesstaaten. 
4. August. (Bayern.) König Ludwig erläßt folgenden Aufruf: 
An meine Bayern! Deutschland hat den Kampf nach zwei Fronten 
aufgenommen. Der Druck der Ungewißheit ist von uns gewichen. Das 
deutsche Volk weiß, wer seine Gegner sind. In ruhigem Ernst, erfüllt 
von Gottvertrauen und Zuversicht, scharen unsere wehrhaften Männer sich 
um die Fahnen. Es gibt kein Haus, das nicht teil hat an diesem frevel- 
haft uns aufgedrungenen Kriege. Bewegten Herzens sehen wir unsere 
Tapferen ins Feld ziehen. Der Rampf, der unser Heer erwartet, geht um 
die heiligsten Güter, um unsere Ehre und Existenz. Gott hat das deutsche 
Volk in vier Jahrzehnten rastloser Arbeit groß und stark gemacht. Er hat 
unser friedliches Werk sichtbar gesegnet, er wird mit unserer Sache sein, 
die gut und gerecht ist. Wie unsere tapferen Soldaten draußen vor dem 
Feind, so steht auch zuhause jeder seinen Mann, so wollen wir, jeder nach 
seiner Kraft, im eigenen Lande Helfer sein für die, die hinausgezogen 
sind, um mit starker Hand den Herd der Väter zu verteidigen. Tue jeder 
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