Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Erste Hälfte. (55a)

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etwas veranlaßt haben, und in dieser Beziehung habe ich Beweise in der 
Rede des Grafen Yorck vermißt, bis auf die Punkte, die ich jetzt besprechen 
werde. Graf VYorck hat die Frage der elsaß-lothringischen Verfassung 
wieder berührt. Ich weiß, das ist einer der schwersten Vorwürfe, die mir 
gemacht werden. Ich will über die Erwägungen, die mich zu der Ueber- 
zeugung geführt haben, daß die damalige Gesetzgebung richtig war, nicht 
noch einmal sprechen. Das habe ich im Reichstag und auch im Abgeordneten- 
hause seinerzeit ausführlich getan. Hier kann es sich nur darum handeln, 
inwieweit durch die elsaß-lothringische Verfassung die Rechte der Einzel- 
staaten beschnitten sind. Unzweifelhaft nicht durch die Einsetzung der Ersten 
Kammer, auch nicht durch das Wahlrecht zur Zweiten Kammer, höchstens 
durch die Verleihung von Bundesratsstimmen an die Reichslande. Das 
Verhältnis des Reiches zu den Einzelstaaten ist dadurch in Wirklichkeit 
nicht berührt worden. Es handelt sich nur um eine Verschiebung der Macht- 
verhältnisse im Bundesrat, also von Preußen zu den anderen Bundes- 
regierungen. Nun gebe ich gewiß zu, eine solche Verschiebung durch die 
neuen drei elsaß-lothringischen Bundesratsstimmen hat tatsächlich Platz 
gegriffen und zwar zuungunsten Preußens. Und ich gebe weiter zu, daß 
die Bestimmung, die reichsländischen Stimmen sollen nur gezählt werden, 
wenn sie gegen Preußen abgegeben werden, das preußische Gefühl an sich 
verstimmen müssen. Ich bitte aber zu bedenken, daß es doch ein und 
dieselbe Person ist, der König von Preußen und der Deutsche Keaiser, 
welcher sowohl die preußischen wie die reichsländischen Stimmen instruiert 
und wenn beide Stimmen einmal im entgegengesetzten Sinne abgegeben 
werden sollten, so kann es sich doch nur um Fragen handeln, in denen der 
König von Preußen und der Deutsche Kaiser eine Differenzierung für zu- 
lässig hält. Also so äußerst bedeutend für die tatsächliche Verschiebung der 
Machtverhältnisse der Bundesstaaten scheint mir die Sache doch nicht zu sein; 
aber ich gebe zu und ich begreife eine gewisse Verletzung preußischen Gefühls. 
Graf Yorck hat dann weiter gesprochen von den kurzen Anfragen im Reichs- 
tage und von den Beschlüssen, welche an die Interpellationen geknüpft 
werden können. Ueber dieselben Gegenstände, die jetzt den Inhalt von 
kurzen Anfragen bilden, konnte der Reichstag auch vor deren Einführung 
die verbündeten Regierungen oder den Reichskanzler fragen (sehr richtig!), 
und die Auskunft konnte erteilt oder abgelehnt werden genau wie jetzt. 
Nur daß damals derartige Fragen an die Reichsregierung nur gestellt 
werden konnten in Verbindung mit einem bestimmten Gegenstande der 
Tagesordnung oder in der Form oder bei Gelegenheit von Interpellationen. 
Diese zeitliche Beschränkung ist weggefallen. Das ist das einzige Neue. Der 
Reichstag hat damit seine Teilnahme an den politischen Geschäften er- 
leichtern — vielleicht auch erweitern wollen. Inwieweit aber eine Er- 
weiterung Platz greift, das ist lediglich Sache der verbündeten Regierungen 
und des Reichskanzlers, und ich gebe dem Herrn Grafen Yorck die Ver- 
sicherung, daß ich mit allen Mitteln zu verhindern wissen werde, daß aus 
der Beantwortung solcher kurzer Anfragen ein Uebergriff in die Exekutive 
oder in die Rechtsprechung erfolgt. Was dann die an Interpellationen 
geknüpften Beschlüsse anbelangt, so handelt es sich dabei — ich habe darüber 
la auch wiederholt im Reichstage gesprochen — um einen einseitigen Akt 
der Geschäftsordnung des Reichstages, der zustande gekommen ist ohne Mit- 
wirkung des andern Faktors der Gesetzgebung. Darum haben diese Be- 
schlüsse keinerlei staatsrechtliche, keinerlei verfassungsrechtliche Bedeutung. 
Auch das habe ich seinerzeit im Reichstage erklären lassen, und daß dies 
eine Ansicht ist, die ich unbedingt zu bekräftigen weiß, glaube ich in den 
letzten Wochen bewiesen zu haben. Diese Beschlüsse, die an Interpellationen
	        
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