Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Erste Hälfte. (55a)

398b Daes Beutsche Reich uud seine einzelnen Glieder. (September 7.—9.) 
Universitäten, Akademien und gelehrten Gesellschaften verliehen 
worden waren. 
7. September. Kaiser Wilhelm richtet an Präsident Wilson 
folgendes Telegramm: 
Ich betrachte es als Meine Pflicht, Herr Präsident, Sie, als den 
hervorragendsten Vertreter der Grundsätze der Menschlichkeit, zu benach- 
richtigen, daß nach der Einnahme der französischen Festung Longwy Meine 
Truppen dort Tausende von Dum-Dum Geschossen entdeckt haben, die durch 
eine besondere Regierungswerkstätte hergestellt waren. Ebensolche Geschosse 
wurden bei getöteten und verwundeten Soldaten und Gefangenen, auch 
britischer Truppen, gefunden. Sie wissen, welche schrecklichen Wunden und 
Leiden diese Kugeln verursachen, und daß ihre Anwendung durch die an- 
erkannten Grundsätze des internationalen Rechts streng verboten ist. Ich 
richte daher an Sie einen feierlichen Protest gegen diese Art der Krieg- 
führung, welche dank den Methoden unserer Gegner eine der barbarischsten 
geworden ist, die man in der Geschichte kennt. Nicht nur haben sie diese 
grausamen Waffen angewendet, sondern die belgische Regierung hat die 
Teilnahme der belgischen Zivilbevölkerung an dem Kampfe offen ermutigt 
und seit langem sorgfältig vorbereitet. Die selbst von Frauen und Geistlichen 
in diesem Guerillakrieg begangenen Grausamkeiten, auch an verwundeten 
Soldaten, Aerztepersonal und Pflegerinnen (Aerzte wurden getötet, Lazarette 
durch Gewehrfeuer angegriffen), waren derartig, daß Meine Generale endlich 
gezwungen waren, die schärfsten Mittel zu ergreisen, um die Schuldigen zu 
bestrafen und die blutdürstige Bevölkerung von der Fortsetzung ihrer 
schimpflichen Mord= und Schandtaten abzuschrecken. Einige Dörfer und 
selbst die alte Stadt Löwen, mit Ausnahme des schönen Stadthaufes. 
mußten in Selbstverteidigung und zum Schupe Meiner Truppen zerstört 
werden. Mein Herz blutet, wenn Ich sehe, daß solche Maßregeln unver- 
meidlich geworden sind, und wenn Ich an die zahllosen unschuldigen Leute 
denke, die ihr Heim und Eigentum verloren haben, infolge des barbarischen 
Betragens jener Verbrecher. Wilhelm I. R. 
8. September. Erste Veröffentlichung über die nahe bevor- 
stehenden ersten Kriegsanleihen. 
Es werden aufgelegt 1 Milliarde Mark 5% Reichsschatzanweisungen 
und ferner eine 5% Reichsanleihe, unkündbar bis 1. Oktober 1924. 
Die Schatzanweisungen haben durchschnittlich eine fünfjährige Laufzeit. 
Sie sind in fünf Abschnitte von je 200 Millionen Mark eingeteilt, die in 
der Zeit vom 1. Oktober 1918 bis zum 1. Oktober 1920 halbjährlich zur 
Tilgung ausgelost und in bar zum Nennwert zurückgezahlt werden. Die 
Reichsanleihe ist in ihrem Höchstbetrage nicht begrenzt. Dadurch werden 
Ueberzeichnungen, die nicht ernsthaften Kapitalsanlagen dienen, vermieden, 
und ein möglichst großer Teil der Anleihe wird unmittelbar in die Hände 
der Zeichner übergeführt, die den Preis der Papiere dem Reich für die 
Dauer des Krieges zur Verfügung stellen. 
9. September. (Elsaß-Lothringen.) Der Vorsitzende der 
Zentrumsfraktion des Landtags, Abg. Hauß, erläßt eine öffentliche 
Erklärung gegen das landesverräterische Verhalten des bisherigen 
Reichstags= und Landtagsabgeordneten Wetterlé, der bei Beginn des
	        
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