Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Erste Hälfte. (55a)

444 Jos Veutsche Reich und seine eintelven Glieder. Dezember 13. 15.) 
13. Dezember. (Bayern.) Die „Bayer. Staatszeitung“ wendet 
sich in folgender halbamtl. Notiz gegen Behauptungen des fran zo- 
sischen „Gelbbuchs“: 
Aus dem französischen „Gelbbuch“, dessen offizieller Wortlaut hier noch 
nicht bekannt ist, haben französische und englische Zeitungen Auszüge ge 
bracht, die auch in der deutschen Presse besprochen wurden. In diesen 
Auszügen findet sich die Behauptung, daß der bayerischen Regierung das 
österreichisch-ungarische Ultimatum vor Ueberreichung der betreffenden Note 
an die serbische Regierung bekannt gewesen sei, oder, wie eine andere Lesart 
lautet, der Staatsminister Graf Hertling am 23. Juli, dem Tage der Ueber- 
reichung des Ultimatums, dem französischen Geschäftsträger Allize in München 
gesagt habe, die österreichischen Forderungen seien ihm in den Hauptzügen 
bekannt. Die Situation sei ernst. Demgegenüber muß aufs bestimmtoste 
festgestellt werden, daß die bayerische Regierung und Staatsminister Graf 
Hertling von den seitens der österreichisch-ungarischen Regierung an die 
serbische Regierung gestellten Forderungen erst durch die am 21. Zuli er- 
folgte Veröffentlichung in der Presse Kenntnis erhielten und der bayerischen 
Regierung wie auch dem Grafen Hertling vorher weder der Wortlaut des 
Ultimatums noch die seitens der österreichisch-ungarischen Regierung am 
23. Juli gestellten Forderungen in den Hauptzügen bekannt waren. Die 
eben erwähnten Behauptungen des französischen „Gelbbuchs“ entsprechen nich: 
der Wahrheit; damit entfallen auch die Schlüsse, die daraus gezogen 
werden sollten. 
13. Dezember. (Berlin.) Der General der Infanterie W. Bron- 
sart von Schellendorf, früher preuß. Kriegsminister, 1. 81 Jahre alt. 
15. Dezember. Unter der überschrift „Englands Spiel mit 
der Neutralität Belgiens“ bringt die „Norddeutsche Allgemeine 
Zeitung“ folgende Mitteilungen: 
„Für die englisch-belgische Komplizität haben sich neue schwerwiegende 
Schuldbeweise gefunden. Vor einiger Zeit wurde in Brüssel der englische 
Legationssekretär Grant-Watson festgenommen, der im englischen Gesandt: 
schaftsgebäude verblieben war, nachdem die Gesandtschaft ihren Sitz nach 
Antwerpen und später nach Havre verlegt hatte. Der Genannte wurde nun 
kür zlich bei dem Versuch ertappt, Schriftstücke, die er bei seiner Festnahme 
unbemerkt aus der Gesandtschaft mitgeführt hatte, verschwinden zu lassen. 
Die Prüfung der Schriftstücke ergab, daß es sich um Aktenstücke mit Daten 
intimster Art über die belgische Mobilmachung und die Verteidigung 
Antwerpens aus den Jahren 1913 und 1914 handelte. Es befinden sich 
darunter Zirkularerlasse an die höheren belgischen Kommandostellen mit der 
faksimilierten Unterschrift des belgischen Kriegsministers und des belgischen 
Generalstabschefs, ferner eine Aufzeichnung über eine Sitzung der „Kommission 
für die Verpflegungsbasis Antwerpen“ vom 27. Mai 1913. Die Tatsache, 
daß sich diese Schriftstücke in der englischen Gesandtschaft befanden, zeigt 
hinreichend, daß die belgische Regierung in militärischer Hinsicht keine Ge- 
heimnisse vor der englischen Regierung hatte, daß vielmehr beide Regierungen 
dauernd im engsten militärischen Einvernehmen standen.“ — Es wird dann 
mitgeteilt, daß unter den Papieren, die der englische Sekretär zu vernichten 
bemüht war, eine Notiz war, wonach die französischen Offiziere den Befsebt 
erhalten hatten, sich am 27. Juli nachmittags bei ihren Truppenteilen 
einzusinden, während an demselben Tage der Bahnhofsvorstand von 
Feignies alle verfügbaren verschlossenen Eisenbahnwagen in der Richtung
	        
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