Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Erste Hälfte. (55a)

26a Des Beentsche Reich und seine einzeluen Glieder. (Januar 15.) 
Paktes von Donaueschingen bedeuten, wie er damals in der Verlautbarung 
des amtlichen „Straßburger Correspondenten“ zum Ausdruck gekommen ist. 
Die elsaß-lothringische Regierung hätte nach dem Fall von Forstner im 
Interesse der Beruhigung unserer Bevölkerung größere Energie an den 
Tag legen sollen. Der Kriegsminister habe keinen Grund gehabt, Leutnant 
von Forstner zu verteidigen, der sich nicht gescheut habe, die Fahne einer 
großen Nation zu beschimpfen. Redner tritt für die Erweiterung der Be- 
fugnisse des Statthalters ein und nimmt des weiteren den Grafen von Wedel 
gegen gewisse Angriffe in Schutz. Mit Graf Wedel habe man erst damit 
begonnen, in Elsaß-Lothringen eine weise Staatskunst zu pflegen; ob er 
dabei die richtigen Mitarbeiter gefunden habe, sei eine andere Frage. Wir 
wünschen nicht, daß Graf Wedel dem General von Deimling schließlich 
weichen muß. Im Kamof um unsere Selbständigkeit wird uns die Mehr- 
heit des Reichstages als treue Bundesgenossin zur Seite stehen. — Abg. 
Müller-Thann (3. vermißt in der Note der Regierung den Ton der 
Entschiedenheit, den man im Hinblick auf den Schneid der anderen Seite 
erwarten durfte. Die Presse habe im Falle Zabern voll und ganz ihre 
Pflicht getan. Die Wackesgeschichte des Leutnants von Forstner sei durchaus 
nicht als Einzelfall zu betrachten. Oberst von Reuter scheine ihm der Typus 
mililärischer Reinkultur zu sein. Er gehöre zu jenen Leuten, die es nie- 
mals verstanden hätten, außerhalb ihrer Raste Verständnis zu suchen, welche 
die Armee als etwas völlig vom Volke Losgetreuntes betrachteten. Diese 
Anschauung stehe im Widerspruch mit der Aufgabe des Heeres. In Zabern 
sei es der Militärgewalt um eine Kraftprobe zu tun gewesen. Diese sei 
wohl und gut vorbereitet gewesen. (Lebhafte Zustimmung.) Die Regierung 
hätte sich unter solchen Umständen mit ihrer ganzen moralischen Antoritat 
für die Bevölkerung einsetzen müssen. An die höchste Stelle ergehe der Ruf, 
es möge gegen das Kriegsgerichtsurteil Berufung eingelegt werden. Den 
Deutschen Reichstag aber bitten wir fest und unerschütterlich im Kampfe 
für unsere Sache zu bleiben. In Preußen könnte die Regierung nicht zu 
einer solchen Ohnmacht verurteilt werden wie die unfrige. Wir müssen des- 
halb den Ausbau unserer Verfassung verlangen. Wir wollen mit Recht ein 
lebendiges Organ im Deutschen Reiche werden. — Abg. Schlumberger 
(Lothr. Block, gibt der Ueberzeugung Ansdruck, daß es mit der Ehre der 
Regierung unvereinbar sei, wenn sie ihren Platz nicht räume. — Abg. 
Donnevert Fortschrittler führt aus: Es komme in diesem Augenblick 
darauf an, daß die Geschlossenheit der Volksvertretung mit Erust und Würde 
in Erscheinung trete. — Abg. Peirotes (S) stellt als Auffassung aller 
Volksvertreter fest, daß der dem elsaßelothringischen Volk angetane Schimof 
gebrandmarkt werden müsse. Die Regierungserklärung sei eine Demütigung 
vor dem Mililarismus. Die Forderung auf Abschaffung des Militärgerichts 
müsse mit allem Nachdruck erhoben und die Kommandogewalt des Kaisers 
eingeschränkt werden. Der Redner schließt, indem er die Versöhnung zwischen 
Deuschland und Frankreich als eine Kulturaufgabe des elsaßelothringischen 
Volkes bezeichnet. 
15. Januar. (Preußisches Abgeordnetenhaus.) Fort- 
setzung der Etateberatung. 
Abg. Dr. v. Heydebrand und der Lasa (K.) will sich möglichst 
wenig mit dem Etat und mehr mit Dingen beschäftigen, die mit dem Staats- 
interesse zusammenhängen. Er spricht zuerst über die obligatorische Ein- 
führung der religiösen Unterweisung in den Fortbildungsschulen. Grund- 
satzlich seien seine Freunde der Ansicht, daß es auch im Staatsinteresse 
liegt, eine solche religiöose Unterweisung in den Fortbildungsschulunterricht
	        
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