34 Das Vetsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 15.)
nicht versuchen, aus dem süddeutschen Reichsländer einen norddeutschen
Preußen zu machen, so habe ich dies Wort lediglich mit Bezug auf solche
Bestrebungen gesprochen, welche klagen, wenn in den Reichslanden nicht
alles genau nach preußischem Muster geschieht. Derartige Klagen sind in
einem Teil der Presse — im Parlament habe ich sie noch nicht gehört —
erhoben worden, und gegen solche Klagen wollte ich Front machen. Aber
im übrigen, ich werde meinen Beruf fortdauernd darin sehen — auch ich
bin ein Preuße —, den preußischen Staatsgedanken zum Ausdruck zu
bringen in den Geschäften des Reiches, in den Geschäften der ganzen
deutschen Gesamtheit; denn wenn das nicht geschieht, dann ist alle Arbeit,
die Preußen geleistet hat seit dem Anfange des vorigen Jahrhunderts für
die demnächstige Einigung des Deutschen Reiches, vergeblich gewesen, und
das soll sie nicht sein. (Sehr richtig! rechts.) Ich bin zu meinem lebhaften
Bedauern heute vormittag durch anderweitige dringende Dienstgeschäfte ver-
hindert gewesen, an Ihren Beratungen teilzunehmen. So bin ich darauf
angewiesen, hier zu sprechen lediglich auf Grund flüchtiger Berichte, die in
den letzten Minuten haben erstattet werden können. Trotzdem glaube ich,
daß ich auf gewisse Ausführungen, die hier mit Bezug auf meine vor-
gestrige Rede gemacht worden sind, mit einer Antwort nicht zögern darf.
Ich bitte nur im voraus um Entschuldigung, wenn ich in der Auffassung
dessen, was gesagt worden ist, nicht gründlich habe unterrichtet werden
können, wenn mir im einzelnen vielleicht Nuancen der Reden, die hier
gehalten worden sind, entgehen. M. H., mir ist berichtet worden, daß in
den Ausführungen des Abg. v. Heydebrand sich der Zug gefunden habe,
als sei es, als ich das letzte Mal über die Reichssteuern des vorigen Jahres
hier sprach, mein Bestreben gewesen, die Verantwortung für diese Reichs-
steuergesetzgebung von mir abzuwälzen und die konservative Partei dafür
verantwortlich zu machen. Es liegt nicht in meiner Art, die Verantwortung,
die ich zu tragen habe — sie ist ja reichlich groß —, auf irgendeinen an-
deren Menschen oder irgendeine andere Partei abzuschieben. Ich bin mir
der Verantwortung, die ich zu tragen habe, vollbewußt, und ich möchte
den Wunsch aussprechen, daß auch diejenigen, die an meiner Politik Kritik
üben zu müssen glauben kraft der ihnen selbst obliegenden Verantwortung,
doch auch berücksichtigen möchten, daß die Verantwortung, die ich trage,
nicht ein ganz leichtes Gewicht ist. Ob ein Schritt, den ich tue, richtig
ist, das zeigt sich nicht heute, und das zeigt sich nicht morgen, sondern das
eigt sich in den meisten Fällen erst nach einem Jahrzehnt oder nach zwanzig
Fabren- Sie können versichert sein, daß es auch mich manche schlaflose
Nacht kostet, wenn ich vor der schwerwiegenden Entscheidung stehe, mich
zu fragen: tust du nun auch hier das, was deinem Volke dienlich sein wird?
Aber das ist das einzige Programm, das ich mir setze; das ist der einzige
Imperativ, der meine sämtlichen Handlungen dirigiert, und da möchte ich
bitten, daß man bei einer solchen Situation — es bezieht sich das nicht
auf das, was nach den Berichten, die ich bekommen habe, Herr v. Heyde-
brand gesagt hat — mit den Vorwürfen, die ja so billig sind wie Brom-
beeren, mit den Vorwürfen der Schwäche, der Passivität, des Schleifen-
lassens der Zügel am Boden doch etwas vorsichtiger sein möchte. Derartige
Vorwürfe sind mir ja neulich vom Abg. Winckler reichlich gemacht worden.
Es ist die geschickte Form, die etwas ungewöhnliche Form gewählt worden,
Zeitungsartikel vorzulesen, Zeitungsartikel, die eine möglichst mißwollende
Kritik meiner Politik enthielten. Derartige Vorwürfe — sie liegen auf der
Straße, sie können von jedem aufgesammelt werden — sind nicht mir allein
gemacht worden; sie sind auch dem größten Staatsmann gemacht worden,
den Preußen und Deutschland je gehabt hat. Aber, ich möchte bitten, m. H.,