Daes Venfsche Reich und seiue einzelnen Glieder. (Januar 16.) 35
bevor solche Borwürfe wiederholt werden, denken Sie daran, daß es Ver-
antwortlichkeitsgefühl ist, was mich handeln läßt, und was mich an dieser
Stelle hält, solange ich das Vertrauen meines Königlichen Herrn genieße.
Benn ich zu der Ueberzeugung komme, daß ich dem Staat keinen Dienst
mehr leisten kann, dann werden Sie mich keinen Tag länger hier sehen.
Vodurch ist meine letzte Rede entstanden? Ich habe diese Reichsangelegen-
hen hier nicht aufs Tapet gebracht. Ich bin auch der Ansicht, man soll
doch etwas vorsichtig sein, hier zu viel über Reichsangelegenheiten zu sprechen;
sonst kommt man dazu, Menschen oder Parteien über ihre Haltung Vor-
würfe zu machen, die nicht in der Lage sind, sie hier im Landtage selber
zu vertreten. Ich komme darauf nachher noch zurück. Ich bin veranlaßt
worden durch Angriffe, welche gegen mich gerichtet worden sind, und da
war es meine Pflicht, ohne jeden polemischen Ton meinerseits — wir leben
in einer viel zu ernsten Zeit, als daß wir uns gegenseitig hier zanken
sollten, wir haben Besseres zu tun — geschichtlich darzustellen, wie die
Situation von 1913 entstanden ist. Im Gegensatz zu Ausführungen, die,
wie mir gesagt worden ist, der Abg. v. Heydebrand gemacht hat, muß ich
daran festhalten, daß die lex Bassermann-Erzberger die verbündeten Re-
gierungen zwang, ein allgemeines Besitzsteuergesetz vorzulegen, und diese
Verpflichtung der verbündeten Regierungen ist nicht dadurch abgelöst worden,
daß wir den einmaligen Wehrbeitrag gefordert haben. Es hat Menschen
gegeben, die mir damals gesagt haben: Warum legst du denn ein Besitz-
fteuergesetz vor? Du willft ja den Besitz durch den Wehrbeitrag so stark
jassen; damit ist die Sache erledigt! — Ja, m. H., wenn wir uns auf den
Standpunkt gestellt hätten, was wäre denn die Folge gewesen? Ich habe
neulich ausgeführt, daß es schon vor der lex Bassermann-Erzberger die
communis opinio gewesen ist, daß im Reich bei großen neuen Anforderungen
der Besitz mitherangezogen werden müsse. Wenn ich nun bei der Deckung
der laufenden Ausgaben für die Wehrvorlage den Besitz unberücksichtigt
gelassen hätte, dann wäre die Folge gewesen, m. H., daß mir vom Reichs-
tage die Steuervorlage, die ich an Stelle der Besitzsteuervorlage gemacht
date, abgelehnt worden wäre und eine Mehrheit des Reichstags mir eine
Besitzsteuer präsentiert hätte; und dann trat der Zustand ein, den Sie ver-
mieden wissen wollen und den auch ich vermieden wissen will, daß der Re-
gierung die Führung der Sache aus der Hand genommen wird, daß sie
nachher agieren soll auf Grund von Vorschlägen des Parlaments. Des-
halb ist es meiner Ueberzeugung nach richtig gewesen, daß wir bei der
Deckungsvorlage für die Wehrforderungen die Besitzsteuer mit vorgeschlagen
haben. Nun, m. H. — auch das muß ich wiederholen — wir haben ja
keine große Auswahl an solchen Besitzsteuern gehabt. Vermögenssteuer —
siel weg; Einkommensteuer — fiel weg; es blieb eine Ordnung der An-
gelegenheit, wie wir sie in der Regierungsvorlage vorgeschlagen haben, oder
die Erbschaftssteuer gegeben. Auch das muß ich wiederholen, ohne daß
ich weitere Bemerkungen daran knüpfe. Nun hat der Abg. v. Heydebrand
weiter den Vorwurf aufrecht erhalten, daß die Regierung ihre Vorlage
schlecht vertreten hätte, und hat bei der Gelegenheit auch Bemerkungen ge-
macht über das Verhalten des Reichsschatzsekretärs Kühn. Bei dieser Ge-
legenheit — das ist der Punkt, auf den ich vorhin zielte, möchte ich wieder
dbemerken, m. H., wie bedenklich es ist, solche Reichsangelegenheiten vor das
Forum der Landtage zu ziehen — ich bestreite ja nicht die Berechtigung
an sich, aber wie bedenklich es ist. Hier werden nun Vorwürfe gegen einen
sehr verdienten Beamten des Reiches erhoben — ich möchte das unter-
streichen —, gegen einen Reichsschatzsekretär, der von grundsätzlicher Ueber-
zeugung aus sein Amt nach dem Gesichtspunkt führt: nur nicht wieder eine
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