Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Erste Hälfte. (55a)

524 Das Pesche Reich und seine rinzelnen Glierder. (Januar 23.) 
was wir in jedem einzelnen Staate von Pflichtbewußtsein, an Opferwillig- 
keit und Treue für das Reich haben. Wir wissen, wie unsere BVäter in 
Treue und tapserer Kameradschaft zusammen gekämpft haben. Wie in 
gleicher Begeisterung, Hingabe und Tapferkeit die bayerische Armee mit den 
unserigen die Schlachten des 70er Krieges geschlagen haben. Wir wissen, 
daß es König Ludwig von Bayern war, der dem Könige von Preußen die 
Kaiserkrone angeboten hat, wir wissen, daß das bayerische Volk mit seinem 
König zusammenarbeitet in Treue und Liebe zum Reiche, zusammenarbeitet 
wie alle anderen Staaten. Der nationale Reichsgedanke, der alle Stämme 
verbindet, dieser nationale Reichsgedanke allein ist es, der uns in Zeiten, 
über die sich kein deutscher Mann freuen kann, über die politischen Partei- 
gegensätze hinweghelfen kann. Ebenso entschieden, wie Sie mir vor einem 
Monat Ihre Meinungsverschiedenheit kundgegeben haben, ebenso entschieden 
rechne ich darauf, daß Sie mir zustimmen, wenn ich sage, daß es nunmehr 
nicht mehr gilt, in der alten Wunde zu wühlen, sondern daß es gilt, diese 
Wunde zu heilen. 
Nur eine einzige Partei wird dem nicht zustimmen. Sie wünscht, 
die Zaberner Vorfälle weiter auszunützen und ihre weitgehenden Zeele 
gehen aus der sozialdemokratischen Presse hervor. Ein halbes Jahr, nach- 
dem das Volk die größte Heeresvermehrung beschloß, die sie als notwendig 
erkannt, verlangen die Herren von der äußersten Linken nichts Geringeres 
als die Abschaffung der Militärgerichtsbarkeit, die Demokratisierung des 
Heeres und die Beseitigung der kaiserlichen Kommandogewalt, die Ein- 
richtung eines demokratischen Milizheeres. Das ist das Programm, das 
die Sozialdemokratie aufgestellt hat. (Große Unruhe bei den Soz.) Der 
„Vorwärts“ meinte, es gehöre eigentlich eine große Kühnheit dazu, dieses 
Programm anzunehmen, und diese Kühnheit traut er den bürgerlichen 
Parteien nicht zu. Als ich vor einiger Zeit sagte, das Bestreben der Sozial- 
demokratie gehe darauf hinaus, die kaiserliche Gewalt unter den sozial- 
demokratischen Zwang zu stellen, da hat man das vielfach als ein billiges 
Schlagwort abgetan. Nun, worauf geht denn das von dem „Vorwärts“ 
seinen Lesern aufgelischte Programm anders hinaus? Es ist sehr gut, daß 
Sie in der Oeffentlichkeit mit Ihren Plänen offen herausrücken. (Aha! bei 
den Soz.) Es werden dadurch dem Lande die Augen geöffnet werden, wo 
die Reise hin soll unter Ihrer Führung. Fahren Sie (zu den Soz.) so 
sort in Ihrem Ziel in der Destruktion unseres Heeres, da versteht 
der Deutsche keinen Spaß. (Lebhafte Zustimmung.) Man hat es so dar- 
gestellt, als ob die Vorgänge in Zabern ein Paradigma sein sollten für die 
Zusammenstöße zwischen Militär und der Arbeiterklasse. Eine Vorübung 
oder ein Versuch zu einer solchen Vorübung, um die sozialdemokratische 
Frage als eine mililärische Frage auf der Straße zu lösen. Auch diese 
Aufhetzung der Arbeiterklasse hat im „Vorwärts“ gestanden. Ich frage, 
was haben diese Vorgänge in Zabern mit der Arbeiterfrage zu tun? Die 
Ellfässer werden es als eine Beleldigung ihres engeren Stammesbewußtseins, 
als eine Beleldigung unseres Heeres ablehnen, wenn man unseren Arbeitern 
zu suggerieren sucht, daß ihnen vom Militär Herausforderungen drohen, 
daß ein blutiger Konflikt zwischen Militär und Arbeiterschaft herauf- 
beschworen werden soll. Unser Heer ist kein Instrument für Partei- 
kämpfe. Es ist viel zu schade für Parteikämpfe. Wir, die Regierung und 
in erster Linie mein Mitarbeiter, der Kriegsminister, werden nicht wollen, 
daß unser Militär zu einem Polizeibüttel gemacht wird. Man sagt, der 
Krieg sei die ultima ratio rezum. Wenn es noch einen weiteren Superlativ 
gabe, so würde ich ihn bei Verwendung des Militärs zur Unterdrückung 
innerer Unruhen gebrauchen. Das Militär hat etwas ganz anderes zu
	        
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