Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Erster Teil. (58a)

Denisches Reiq. (Februar 17.) 133 
zurücktretender Früchte (Oelfrüchte, Hülsenfrüchte, Gespinstpflanzen) ist zur 
Deckung des Mindestbedarfs durch verhältnismäßig günstige Preisbemessung 
zu fördern. 
In Absatz 7—19 wird sodann auf die Preisgestaltung der landwirt- 
schaftl. Erzeugnisse im einzelnen eingegangen. 
17. Febr. (Berlin.) 45. Plenarversammlung des Deutschen 
Landwirtschaftsrats. 
Nach der Begrüßungsansprache des Präsidenten des D. L. R. Dr. Grafen 
v. Schwerin-Löwitz hält Staatssekretär Dr. Helfferich folgende Rede: 
M. H. Der Herr Reichskanzler ist zu seinem lebhaften Bedauern durch dringende 
Dienstgeschäfte verhindert, Ihren Verhandlungen persönlich beizuwohnen. Er 
hat mich beauftragt, Sie herzlich willkommen zu heißen. Indem ich mich 
dieses Auftrages entledige, darf ich gleichzeitig im Namen der hier so zahl- 
reich anwesenden Vertreter der verbündeten Regierungen Ihrer Tagung einen 
glücklichen Erfolg wünschen und zum Ausdruck bringen, wie sehr wir alle 
von der Wichtigkeit Ihrer Arbeiten in dieser Zeit der Entscheidungen durch- 
drungen sind. M. H.! Ihre diesjährige Tagung fällt in der Tat in einen 
Zeitabschnitt so schicksalsschwer und weltentscheidend, wie er in der ganzen 
Menschheitsgeschichte kaum jemals einem Geschlecht beschieden war. Das 
ungeheure Ringen steigert sich in nie geahnter Anspannung aller körper- 
lichen, geistigen und seelischen Kräfte zu dem Endkampf, der Völker hebt 
und niederwirft und den kommenden Jahrhunderten die Bahn vorschreibt. 
In diesem Kampf auf Leben und Tod ist der Landwirtschaft eine Auf- 
gabe von entscheidender Bedeutung zugewiesen: Der Hungerkrieg, von Eng- 
land, dem Hüter der Zivilisation und Menschlichkeit, gegen uns herauf- 
beschworen, hat dem deutschen Volk von Anbeginn klar vor Augen geführt, 
daß es mit seiner Landwirtschaft steht und fällt. Der Brite, als er den 
Hunger gegen uns aufrief, glaubte sich hoch erhaben über jeder Nahrungs- 
jorge. Er hat umgelernt. Vor wenigen Wochen hat der britische Land- 
wirtschaftsminister das Wort ausgesprochen: „Der Krieg wird auf dem 
brulschen Acker entschieden.“ Dieses Wort wollen wir festhalten. Es 
zeichnet den Wandel der Dinge. Vor Jahresfrist noch durfte England wähnen, 
es könne die Aecker der ganzen Welt mit ihren unbegrenzten Möglichkeiten 
gegen den deutschen Acker aufbieten. Heute sieht sich England vor einer 
neuen, in seiner ganzen Geschichte unerhörten Lage. Der überseeische Boden 
schwindet unter seinen Füßen. Die weiten Gefilde, aus denen der Brite 
wie aus dem unermeßlichen Meer glaubte schöpfen zu können, die Ver- 
einigten Staaten und Kanada, Argentinien, Indien und Australien —, sie 
sind in diesem Jahre mit einer schweren Mißernte geschtagen. Wo im Vor- 
jahre 56 Mill. Tonnen Weizen geerntet wurden, kamen jetzt nur 36 Mill. 
derein. Bor Jahr und Tag war der Einfuhrbedarf unserer Feinde durch 
den Ueberschuß der Erzeugungsländer weit überdeckt; heute stehen England, 
Frankreich und Italien bei ungewöhnlich knappen Eigenbeständen vor einem 
unentrinnbaren Fehlbetrag. Im vorigen Erntejahr konnte England mehr 
als 9 Zehnteile seines Einfuhrbedarfs aus den nächstgelegenen überseeischen 
Ueberschußgebieten beziehen, aus den Vereinigten Staaten und Kanada; jetzt 
liegt ein großer Teil des für die Verschiffung verfügbaren Getreides bei 
unseren Antipoden in Australien und braucht für den Transport zu unseren 
Feinden die dreifache Zeit, das heißt den dreifachen Frachtraum wie der 
Transport von Nordamerika. Und diese knappen Zufuhrmöglichkeiten, sie 
werden eine weitere Einschränkung, sie werden eine entscheidende Hemmung 
erfahren durch die Sperre, die unsere C-Boote Tag für Tag wirksamer um 
das seegewaltige England legen. Wir haben gewägt und haben gewagt.
	        
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