VBeutsches Reich. (Februar 27.—März 2.) 201
spannen mußten, um die Pläne der Gegner zuschanden zu machen, darüber
war das ganze Volk einig. Keine Uebereinstimmung bestand dagegen darüber:
zu welchen Zielen und mit welchen Mitteln. Die Sozialdemokraten waren
der Meinung, daß die nach der bisherigen Methode erreichten großen Er-
folge sich ohne Aenderung der Methode festhalten und erleichtern ließen,
ohne daß eine weitere Macht auf die Seite unserer Gegner gezogen wurde,
bis sich auch drüben der Friedenswille Bahn bräche. Wir sind mit dieser
unserer Politik nicht durchgedrungen. So sehr wir das bedauern, so sehr
begreifen wir, daß es anders gekommen ist. Am Tage nach der Veröffent-
lichung des feindlichen Eroberungsprogramms schrieb eines der Blätter,
das unsere Politik stets am heftigsten bekämpft hat, einen Artikel mit der
Ueberschrift: „Dank an Lloyd George!“ Der Dank war aufrichtig. Es
gibt eben heutzutage auch eine Internationale der RKriegsverschärfung und
der Kriegsverlängerung, deren Glieder einander in die Hände arbeiten.
Was die eine von ihnen hochhebt, das hilft auch den anderen zu neuer
Kraft. Lloyd George ist der Vater der neuen Entschlüsse der Reichsleitung,
die in Gemeinschaft mit der Obersten Heeresleituug die Verantwortung
trägt, die wir ablehnen: der verschärfte U.-Bootkrieg ist eigentlich in der
Konferenz der Alliierten in Rom beschlossen worden. Nachdem die Sache
nun einmal in Gang gekommen ist, können auch wir nur von ganzem
Herzen wünschen, daß er uns baldmöglichst den Frieden bringt. Eine leicht
vorauszusehende Folge des verschärften U-Bootkrieges war der Abbruch
der diplomatischen Beziehungen zu Amerika. Ich bedauere diese Wendung
der Dinge auf das tiefste. Wir stimmen nicht mit denen überein, die Amerika
voreilig als einen neuen Feind — man kann geradezu sagen — begrüßen.
Ich verstehe diejenigen nicht, die die Koalition der Gegner leichten Herzens
wachsen sehen und die dabei die Regierung noch zu immer größerer Maß-
losigkeit der Kriegsziele ermuntern. Wir werden schon aus Selbsterhaltungs-
trieb gegen jeden neuen Feind kämpfen, der sich uns entgegenstellt. Wir
vertrauen unserer bis an die Zähne gewappneten Volkskraft. Aber wir
mahnen zugleich auch das eigene Volk und die eigene Regierung zu einer
nüchternen Einschätzung des Erreichbaren. Erreichbar muß sein, was er-
reicht werden kann: Ehre, Dasein, wirtschaftliche Entwicklung, Freiheit des
Reiches müssen unangetastet aus diesem furchtbaren Ringen hervorgehen.
Wenn die neuen Stürme des Krieges anheben, die dieses Frühjahr uns
ankündigt — wir deutschen Sozialdemokraten taten alles, um sie zu ver-
hindern, und sie wären unbedingt verhindert worden, wenn auch die aus-
ländischen Sozialdemokraten mit der gleichen Energie dafür eingetreten
wären wie wir — wenn also diese neuen Stürme ausbrechen, dann werden
auch wir mit unserem Fleisch und Blut, mit unserem Wünschen und Wollen
für Deutschlands freie, gesicherte Zukunft mit dabei sein, und in diesem
Sinne haben wir auch diesmal die geforderten Kredite bewilligt. Wir
hätten gewünscht, daß der Reichskanzler schon vor der Bewilligung der
Kredite eine Erklärung über die Gesamtpolitik der Reichsleitung abgegeben.
hätte. Der Reichskanzler hat auch von den Kriegszielen gesprochen und
gesagt, auf Einzelheiten lasse er sich nicht ein, er habe schon oft darüber
gesprochen und nehme nichts davon zurück. Das letzte waren die Worte
vom 12. Dez., worin er seine Bereitschaft zum Frieden erklärte. In ge-
wissen Kreisen hat nämlich die neueste Wendung der Dinge eine Art Koller
hervorgerufen, den sie fälschlicherweise Furor teutonicus nennen, und in
diesem Zustande schlagen sie um sich, ohne zu bedenken, wen sie treffen.
Diese absonderlichen Vorkämpfer für Deutschlands Herrlichkeit scheinen nach
dem Grundsatz zu handeln, daß wir immer noch viel zu wenig Feinde
und noch immer viel zu viel Bundesgenossen haben. Man muß den Kraft-