Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Erster Teil. (58a)

Beutsches Reich (März 10.) 281 
daß auch während des Feldzuges alle verantwortlichen Stellen dauernd 
bestrebt gewesen sind, ihre Leistungsfähigkeit zu erhalten und nach allen 
Richtungen zu steigern. Angesichts solcher Urteile versteht man in der Tat 
nicht, wenn ein großes Blatt wie die „Köln. Ztg.“ in dem Artikel „Organi- 
sation und Ueberorganisation“ (vgl. Nr. 218 und 249) eine heftige ab- 
sprechende Kritik der Verwaltung und ihrer Leistungen bringt, wenn diese 
Zeitung die Wendung gebraucht, die Verwaltung versage wie im Jahre 
1912. Es ist nicht zum ersten Male, daß dieser Ausdruck an mein Ohr 
klingt. Wenn so ein Wort einmal gesprochen wird, frißt es sich weiter und 
erzeugt eine Beunruhigung, die wir nicht ertragen können. In einem Welt- 
kriege, wo es um Sein oder Nichtsein der Völker geht, entscheidet allein 
die Leistung und der Erfolg. Wenn in einer solchen Zeit ein Minister 
versagt, muß er Gelegenheit nehmen, abzugehen, auch wenn er sich im 
Laufe der Jahre verdient gemacht hat. Aber ich bitte zu berücksichtigen, 
daß ich der Chef der Staats- und der Reichseisenbahnverwaltung bin und 
daß mich als Führer 600000 treue deutsche Männer ansehen. Das Ver- 
trauen dieser Männer zu ihrem Führer wird erschüttert, wenn ein solches 
Wort sich weiterfrißt. Das sollten auch diejenigen, die mit solchen Aeuße- 
rungen in die Presse treten, sich gesagt sein lassen. Der Artikel besteht aus 
lauter Irrtümern. Als ein Hauptfehler wird die Geschäftspolitik be- 
zeichnet, die auch während des Krieges in letzter Zeit betrieben werde. Es 
wird mir also der Vorwurf gemacht, daß die Verwaltung, wie man heute 
zu sagen pflegt, sich nicht auf den Krieg eingestellt hat. Das glaubt man 
einer Verwaltung sagen zu dürfen, die sich in so enger, unmittelbarer 
Fühlung mit der Kriegsführung befindet, die von dem Ernst der Sitnation 
voll durchdrungen sein muß, weil sie ihn täglich vor Augen hat. Für die 
schädliche „Geschäftspolitik“, die wir treiben sollen, wird angeführt, daß 
wir trotz der Verkehrskrise Bestellungen hinausgeschoben hätten, und daß 
die Preise bei der Vergebung von Eisenbahnwagen so gedrückt worden 
seien, daß mit der Nichtlieferung von vornherein gerechnet werden müsse. 
Ich halte beide Einwände für völlig verfehlt. Ich habe jüngst den Prä- 
sidenten des Zentralamts gebeten, in diesem Kriege von jeder Klein- 
lichkeit abzusehen, immer das große Ganze im Auge zu behalten. Aber 
so weit kann ich unmöglich gehen, daß ich zugebe, während des Krieges 
spielt der Preis überhaupt keine Rolle. Der Verf. jenes Artikels meint 
weiter, der Minister fürchtet auch, für die Geschäftspolitik gegenüber den 
Wasserstraßen verantwortlich gemacht zu werden. Der Verfasser ist unzu- 
frieden mit den Abmessungen unserer Kanäle usw. Soweit es sich um die 
großen Bauten handelt, bin ich nur der Testamentsvollstrecker meines Vor- 
gängers, des Ministers v. Budde. Ich habe mir die Aufgabe gestellt, an- 
gesichts der großen politischen Schwierigkeiten, die die Durchführung der 
Vorlage verursachten, das Gesetz loyal auszuführen, und dies ist geschehen. 
Ich bin aber noch weiter gegangen. Ich habe erkannt, daß es sehr nützlich 
wäre, die Abgrenzungen des Rhein— Herne-Kanals zu erweitern. Wenn der 
Verfasser behauptet, die geringen Abmessungen wären nur gewählt worden, 
weil der Eisenbahnminister auf diese Weise eine Konkurrenz des Kanals 
abmildern wollte, so brauche ich über solche Argumentation wirklich kein 
Wort zu verlieren. Wenn von der Kontrolle der Transporte durch einen 
Transportoffizier die Rede gewesen ist, so ist die Tatsache richtig. Es 
waren im Herbst 10000 Wagen nicht entladen, deren Entladung im kriegs- 
wirtschaftlichen Interesse erwünscht war, und deshalb wurde diese Verein- 
barung getroffen. Der Verf. des Artikels meint, alle diese Mißstände könnten 
nur beseitigt werden, wenn die Staatseisenbahnen dem KRriegsamt an- 
gegliedert würden. Eine solche Aufgabe mit ihrer furchtbaren Verant-
	        
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