Hulsarien. (Sept. 28.—30.) 533
Ein Versuch, mit Hilfe des eben (s. u.) begnadigten Bauernführers Stam-
buliiski die Menterer zur Vernunft zu bringen, endete damit, daß dieser
sich in Radomir zum Präsidenten der bulg. Republik ausrufen ließ und
die Dynastie für abgesetzt erklärte. Nach dreitägigem Kampfe gelang es
zwar (am 29.) den königstreuen Truppen, die Revolutionäre, die bis 7km
vor Sofia vorgedrungen waren, zurückzuschlagen, worauf die Anführer die
Flucht ergriffen, aber mittlerweile war die Entscheidung in der Waffenstill-
standsfrage gefallen.
28. Sept. Amnestieerlaß.
Die „Bulg. Tel.-Ag.“ meldet: Auf Vorschlag des Ministerrates hat der
König einen Erlaß unterzeichnet, womit der Führer der Bauernpartei
Stambulijiski sowie der Führer der Stambulowisten, der frühere Minister
Genadiew, sowie alle ihre nach dem Eintritte Bulgariens in den Welt-
krieg ins Gefängnis gesetzten und verurteilten politischen Freunde begnadigt
und wieder in den Genuß ihrer bürgerlichen und politischen Rechte gesetzt
werden, wobei ihnen namentlich das Recht zugestanden wird, ihr Abgeordneten-
mandat auszuüben.
29. Sept. Unterzeichnung des Waffenstillstandsvertrages in
Saloniki.
Näheres s. in dem besonderen Abschnitt am Schluß des Kalendariums.
30. Sept. (Sobranje.) Eröffnung der ao. Tagung.
Ministerpräsident Malinow eröffnet die außerordentliche Session der
Sobranje mit folgender, im Namen des Königs verlesenen Thronrede:
M. H.! Die allgemeine Lage des Landes und die besondere Sorge, deren
es bedarf, um die zahlreichen Bedürfnisse der Armee zu befriedigen, die
heldenhaft ihre Pflicht erfüllt hat, haben im Juni d. J. die Bildung der
gegenwärtigen Regierung notwendig gemacht. Meine von der öffentlichen
Meinung designierte und von meinem Vertrauen getragene Regierung hat
während des kurzen Zeitraumes, während dessen sie die Geschäfte des Landes
führte, alles getan, was die Umstände ihr gestatteten, um die zahlreichen
und schweren Probleme zu lösen, die die durch eine Reihe von Kriegsjahren
geschaffene Lage ihr gestellt hat. Von der größten Loyalität gegen unsere
Verbündeten erfüllt, hatten ich und meine Regierung nichts anderes im
Auge, als unsere Pflicht gegen das Vaterland zu erfüllen und ihm sowie
unseren tapferen Truppen die Möglichkeit zu geben, zu einem ehrenvollen
Frieden zu gelangen, entsprechend den schmerzlichen Opfern, die das Volk
zur Erringung seiner Einheit auf sich genommen hat. In diesem Sinne
wurde getan, was möglich war. Schließlich hat meine Regierung nach reif-
licher Erwägung der Lage beschlossen, unseren zahlreichen Gegnern den Vor-
schlag zu machen, in Verhandlungen wegen Abschlusses eines Waffenstillstandes
und eventuell eines Friedens einzutreten. Die Regierung, die die geschaffene
Lage. und die Fülle der Fragen vor Augen hat, welche diese aufgeworfen
hat und noch aufwerfen kann, hat beschlossen, die Nationalversammlung zu
einer außerordentlichen Tagung einzuberufen. Es versteht sich von selbst,
daß dies nicht ausschließt, daß die Nationalversammlung in dieser außer-
ordentlichen Tagung sich mit anderen Angelegenheiten wird beschäftigen
können, die durch die Notwendigkeiten der gewöhnlichen regelmäßigen Ver-
waltung sich aufdrängen würden. M. H. ! In der Ueberzeugung, daß Sie
in ihren Beratungen und Entschließungen jene Geschicklichkeit, Weisheit und
patriotische Gesinnung an den Tag legen werden, die der gegenwärtige
Augenblick erfordert, flehe ich den Segen des Allmächtigen auf Ihre Ar-