Full text: Die Kriegswirtschaft in Stopl 1914-1919.

den Straßenhändlern noch einen kleinen Verdienst zukommen ließ, oft 
aber den Verkauf auf eigene Rechnung durchführen ließ. Unangetaslet 
blieben im großen und ganzen nur die Lebenskreise der Bäcker und Flei— 
scher; gewiß war der Umfang ihrer Arbeit durch die allgemeine Vot sehr 
verringert, aber da mindestens bei den Fleischern rund die Hälfte der 
Betriebe durch Kriegsteilnahme des Inhabers geschlossen waren, konnle 
sich das nicht so auswirken. Aber auch nach ihnen griff die öffentliche 
Hand, sie bedrohte die Bäcker mit Schließung der kleineren Betriebe und 
benachteiligte die Fleischer durch Gründung der Zentralwursterei. Alle 
aber litten die Kaufleute und Gewerbelreibenden unker dem Druck der 
Preisfestsetzungen, der die Spanne zwischen Einkaufs- und Verhkaufs- 
preis vielfach so niedrig bemaß, daß von einem Gewinn nicht mehr die 
Rede sein konnte, der oft genug ein Arbeiten mit Verlust erzwang. 
Dazu wurden dem Kaufmann und Gewerbetreibenden Arbeitsmetho- 
den aufgedrängt, die er nicht kannte, denen er vielfach nicht gewachsen 
war, eine sehr umständliche Buchführung über die Waren, schwierige 
Berechnung der verschiedenen Karten, Bestandsmeldungen, Verbrauchs- 
meldungen und allerhand Arbeiten, die bei größeren Betrieben allein 
schon eine ganze Arbeitskraft erforderten. 
Manches von diesen Dingen hätte sich eher ertragen lassen, wenn 
bei den übergeordneken unzähligen „Stellen“ und Gesellschaften etwas 
mehr Perständnis zu finden gewesen wäre. Daran scheink es aber meist 
vollkommen gefehlt zu hbaben. Wenn es vorkommen konnte, daß Vieh 
aus Stolp nach dem Westen und gleichzeitig Bieh aus Westpommern 
nach Stolp geliefert wurde; wenn die Molkerei Stolp gezwungen wurde, 
ihre Bukter nach Berlin zu schichen, während gleichzeitig der Butterbe- 
darf der Stadt aus Stettin und Kolberg gedecht wurde; wenn in Stolp 
bergestellte Futtermittel nach Stettin gesandt werden mußten, um durch 
andere aus Stettin kommende ersetzt zu werden; wenn die KReichszuk- 
kerstelle den Einmachzucker dahin zuteilte, wo das Obst geerntet, und 
nicht dahin, wo es eingemacht wurde; wenn es möglich war, daß in Stolp 
die Käsefabrikation aus Magermilch immer größeren Umfang annahm, 
während die Bevölkerung immer weniger Magermilch bekam; wenn — 
aber es würde zu weit führen, immer neue Beispiele dieser Art in die 
Erinnerung zurückhzurufen; wenn solche Erfahrungen fast läglich und im- 
mer wieder gemacht werden konnten, dann ist der Schluß wohl nicht un- 
berechtigt, daß in der staatlichen Verbrauchsregelung ein Fehler steckte, 
daß sie überorganisiert, teilweise Selbstzwech geworden war und die 
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