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Auffassung mögen hier die folgenden Beschlüsse Erwähnung
finden.
Im Jahre 1869 richteten mecklenburgische Staatsangehörige
eine auf Art. 76 der Verfassung gestützte Petition an den
Reichstag: „Dieser möge den Bundesrat veranlassen, die Kom-
petenz des Freienwalder Schiedsgerichtes zur Fällung eines
Schiedsspruches in der Mecklenburg-Schwerinischen Ver-
fassungsangelegenheit einer Prüfung zu unterziehen und dem-
nächst die dem Ergebnisse dieser Prüfung entsprechenden
Einleitungen treffen, um die Landesverfassung in Mecklenburg
mit den berechtigten Ansprüchen der mecklenburgischen Be-
völkerung in Einklang zu setzen“. Der Reichstag beschloss,
„die Petition dem Bundesrate nach Artikel 76 Abs. 2 der
Reichsverfassung zur Prüfung zu überreichen«.
Ein zweiter Fall ist dieser. Das zum Grossherzogtum
Mecklenburg-Strelitz gehörige Fürstentum Ratzeburg hatte
keine eigene Verfassung, bis im Jahre 1867 Bewohner des
Fürstentums beim Bundesrate petitionierten: „Die Mecklen-
burgische Regierung zu ersuchen, in das Fürstentum Ratze-
burg auf dem einen oder anderen Wege eine solche Ver-
fassung einzuführen, welche den Anforderungen des Artikels XIII
der Verfassung des ehemaligen Deutschen Bundes zu genügen
geeignet sei“. Ein Beschluss des Bundesrates war noch nicht
ergangen, als am 6. November 1869 die Regierung von
Mecklenburg-Strelitz dem Fürstentum Ratzeburg eine Verfassung
oktroyierte; eine Verfassung, die indessen den Ansprüchen der
Bewohner des Fürstentums nicht genügte. Im Jahre 1870
erhoben diese Beschwerde über die Verfassung beim Bundes-
rate unter Berufung auf Art. 76 Abs. 2 der Verfassung. Der
Bundesrat wies die Beschwerde durch Beschluss vom 1. Mai
1870 zurück mit der Begründung, dass hier ein Verfassungs-
streit im Sinne des Art. 76 Abs. 2 nicht vorliege. Trotzdem
der Reichstag darauf auf Antrag der Petenten in der Sitzung
vom 12. Juni 1872 beschlossen hatte, „die Petition dem
Reichskanzler behufs wiederholten Versuchs gütlichen Aus-
gleichs des noch schwebenden Verfassungsstreites durch den