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Die Bundesstaaten bilden das Reich, nicht die Bundes-
fürsten. Man hraucht im übrigen nur die Fälle der Reichs-
verfassung zusammenzustellen, wo diese einen der Ausdrücke
„Bundesstaat“, „Bundesfürst“, „Bundesglied“ enthält und den
einen für den anderen einzusetzen, um zu verstehen, dass in
den meisten Fällen — ähnlich wie im vorliegenden Falle —
der Sinn des Gesetzes eine derartige Verwechslung der Aus-
drücke nicht zulässt!) Der Umstand, dass in einzelnen
Fällen diese Verwechslung möglich und zulässig erscheint
— wenn auch nicht in dem von Kekule angenommenen
Umfange! — berechtigt keineswegs, diese Möglichkeit auf alle
Fälle zu übertragen. Nicht so sehr der Wortlaut, als viel-
mehr der Sinn der einzelnen Vorschrift, ist für die Auslegung
des Gesetzes entscheidend!
Zum gleichen Ergebnis, wie Kekule, gelangt Zorn,1?)
wenn er behauptet: „Die Agnateneigenschaft bilde nur die
juristische Vermittelung des Anspruches Für die Geltend-
machung desselben aber falle die Agnateneigenschaft mit der
Eigenschaft des Staatsoberhauptes zusammen.* Dem ist zu
widersprechen. Bei der Geltendmachung von Thronfolge-
und Regentschaftsrechten tritt der Bundesfürst lediglich als
Agnat auf und nicht als Staatsoberhaupt. Er vertritt einen
persönlichen Anspruch, der keine Berührungspunkte hat mit
seiner Eigenschaft als Staatsoberhaupt eines Bundesstaates.
Er handelt hier im eigenen Interesse, nicht im Interesse
seines Staates. Nur insoweit ist, wie Krick18) richtig hervor-
hebt, Zorn Recht zu geben, als der Bundesfürst die Geltend-
machung und Verfolgung seines persönlichen Anspruches der
Staatsregierung übertragen kanrı, und dass dann allerdings in
seiner äusseren Erscheinung der Streit insofern als ein Streit
zwischen verschiedenen Bundesstaaten auftritt, als nun statt
des ursprünglich Berechtigten ein Staatsorgan als Partei
fungiert. Doch handelt in einem derartigen Falle die Staats-
regierung — um einen prozessualen Ausdruck zu ge-
11) Vgl. dazu Krick, Der Bundesrat als Schiedsrichter S. 18.
12) Zorn, Reichsverfassung und Lippescher Thronfolgestreit S. 15.
18) Krick, Der Bundesrat als Schiedsrichter zwischen Bundesstaaten $. 20.
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