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auch nur im entferntesten daran gedacht hat, dass der Bundesrat
in seiner verfassungsrechtlichen Zusammensetzung auf Grund
des verfassungsmässigen Stimmenverhältnisses selbst in der
Sache entscheiden sollte, sondern, wenn eine sachliche Ent-
scheidung notwendig werden sollte, so wird sie in Form
eines Austrägalgerichtes oder in Form eines schiedsgericht-
lichen Verfahrens erfolgen.*
Um nun dem Bundesrate jede Möglichkeit einer Selbst-
entscheidung zu nehmen, um jeder Möglichkeit einer partei-
ischen Beurteilung des Streites vorzubeugen, hat man von
vielen Seiten gefordert, dass dem Bundesrate die im Art. 76
der Reichsverfassung ihm verliehenen Befugnisse genommen
und einem neu zu errichtenden Staatsgerichtshofe übertragen
würden. Ich sehe von einer genaueren Erörterung der
Gründe, welche für und wider die Errichtung eines solchen
Staatsgerichtshofes sprechen, ab, weil sie für mich bei Be-
urteilung der Frage nach der Zweckmässigkeit dieses Gerichts-
hofes nicht von entscheidender Bedeutung sind. Wenn ich
mich auch im allgemeinen der Ansicht nicht verschliessen
kann, dass die Schaffung eines Staatsgerichtshofes in recht-
licher Beziehung eine Besserung des gegenwärtigen Rechts-
zustandes bedeuten würde, so bin ich doch andererseits der
festen Ueberzeugung, dass die praktischen Erfolge den Er-
wartungen nicht entsprechen würden. Ich meine, dass dieser
Gerichtshof wesentliche Vorteile deshalb nicht bringen würde,
weil die seiner Zuständigkeit zu überweisenden Streitigkeiten,
wie sie der Art. 76 der Reichsverfassung bezeichnet, in so
unendlich geringer Anzahl auftreten, dass er sich alsbald in
die Verlegenheit versetzt sehen würde, nichts zu tun zu haben.
Man würde Anlass genug haben, ihn, wie früher das Bundes-
schiedsgericht, als „totgeborenes Kind“ zu bezeichnen. Wenn
eine Aenderung des bestehenden Rechtszustandes geschaffen
werden soll, und sie muss erstrebt werden, so würde aus
diesem Grunde die Errichtung eines Staatsgerichtshofes nicht
für zweckmässig zu erachten sein. Indessen könnte eine durch-
greifende Besserung der gegenwärtigen Rechtslage auf einem
anderen Wege erreicht werden, indem nämlich das Reichs-