Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Demüthigung des Stuttgarter Hofes. 323 
freiwilligen Einkammersystems nicht allzu tröstlich war. Dann ärgerten ihn 
wieder die liberalen Reden des letzten Römers Keßler, und er war nahe 
daran seine Stände nach Hause zu schicken. Einer seiner Minister aber 
stellte ihm vor, das würde aussehen wie eine Nachgiebigkeit gegen die 
Großmächte. „Nein,“ rief der König bitter, „ich bin nicht in der Laune, 
diesen Mächten den Hof zu machen!“) 
Nach und nach begann er doch zu fühlen, wie hoffnungslos dieser 
Trotz gegen die Uebermacht war. Sein neuer Bundesgesandter Trott, der 
anfangs mit allgemeinem Mißtrauen empfangen wurde, mußte sich in 
Allem gefügig zeigen, und als im Sommer 1824 die Verlängerung der 
Karlsbader Beschlüsse zur Sprache kam, erklärte König Wilhelm ohne Vor- 
behalt seine Zustimmung. Darauf hin erhielt er aus Petersburg einen 
Wink: jetzt sei der Augenblick die Versöhnung anzubieten.*) Noch eine 
Weile rang er mit seinem Stolze, denn gar zu laut hatte er sich vor 
zwei Jahren vermessen, daß er niemals den chien couchant spielen werde. 
Endlich überwand er sich, und nachdem er mit seinem russischen Schwager 
Frieden geschlossen, schrieb er (23. Sept.) an den König von Preußen: durch 
seine Zustimmung zu „der wesentlich erhaltenden Maßregel“ der Ver- 
längerung der Karlsbader Beschlüsse habe er bewiesen, wie sehr er die 
Ordnung im Deutschen Bunde zu fördern wünsche. „Ew. Mgjestät, die eine 
der festesten Stützen derselben sind, werden, wie ich mir schmeichle, den 
Grundsätzen, welche mich bei dieser Gelegenheit geleitet, Gerechtigkeit haben 
widerfahren lassen. Sie können Ew. Majestät nicht zweifelhaft sein, und 
der Werth, Sire, welchen ich auf Ihre Freundschaft lege, läßt mich hoffen, 
daß, wenn Mißverständnisse, welche ich aufrichtig bedaure, stattgefunden 
haben, dieselben von jetzt ab nicht mehr bestehen werden.“ Aehnlich lautete 
der Brief an Kaiser Franz. Die beiden Majestäten waren indeß über 
das lange Schmollen des Königs so erzürnt, daß sie anfangs zweifelten, 
ob sie sich mit dieser Abbitte begnügen sollten. Zuletzt beschlossen sie doch 
Gnade für Recht ergehen zu lassen, obwohl dem Reuigen noch der Trotz 
um die Lippen spielte. König Friedrich Wilhelm versagte sich's aber nicht, 
dem Württemberger strafend zu bemerken: „Besonders hat mich gefreut, 
daß Ew. Majestät zugleich den Grundsätzen Gerechtigkeit widerfahren lassen, 
welche die Verbündeten bei den Verhandlungen von Laibach und Verona 
geleitet haben, und welche Sie einen Augenblick mißzuverstehen schienen.“) 
So kläglich endigte der Versuch, das reine Deutschland um Württembergs 
Banner zu schaaren. Die Rolle des liberalen Parteiführers, welche dem 
herrischen Könige nie recht zu Gesicht gestanden, war ausgespielt für immer. 
  
*) Küster's Bericht, 26. Dec. 1823. 
*) Berichte des Geschäftsträgers Gf. Lusi, Stuttgart 22. Juli, 12. Aug. 1824. 
**) König Wilhelm an den König von Preußen, 23. Sept.; Antwort, 14. Oktober; 
Bernstorff's Bericht an den König, 30. Sept.; Weisungen an Hatzfeldt, 28. September, 
4. Oktober 1824. 
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