174 IV. 2. Die konstitutionelle Bewegung in Norddeutschland.
gebenen deutschen Lande gewissenhaft schonte, den Zerfall des dänischen
Gesamtstaates vielleicht noch abwenden.
Die Dänen aber begannen bereits andere Wege zu gehen. Ihr
Selbstgefühl war durch die Nachgiebigkeit des Königs, die sie doch allein
dem Deutschen Lornsen verdankten, mächtig angewachsen, sie feierten den
Geburtstag ihrer neuen Versfassung als ein nationales Fest. Nicht ganz
mit Unrecht. Eine neue Epoche der dänischen Geschichte war angebrochen,
und der vertriebene Schwedenkönig Gustav IV. wußte wohl, warum er
als möglicher Erbe der Krone feierliche Verwahrung einlegte gegen die
vollzogene Beschränkung der absoluten Königsgewalt. Die Hauptstadt
hallte wider von politischen Kämpfen, und in der allezeit erregbaren
Kopenhagener Jugend bildete sich schon eine neue Partei, die den natio-
nalen Gedanken über jede andere Rücksicht stellte. Diese Eiderdänen,
wie man sie späterhin nannte, verdammten die Bildung der neuen
schleswig-holsteinischen Provinzialregierung als einen argen Mißgriff und
verlangten die gänzliche Trennung der beiden Herzogtümer; sie wollten
im Notfall auf das deutsche Holstein, das man doch nicht danisieren könne,
verzichten, Schleswig aber bedingungslos dem Einheitsstaate Dänemark
einverleiben und auch die rein deutsche Südhälfte dieses Herzogtums
gewaltsam der skandinavischen Gesittung unterwerfen. Noch ward die
neuc Losung „Dänemark bis zur Eider“ nur von wenigen übermütigen
jungen Männern nachgesprochen; aber die Zahl ihrer Anhänger wuchs,
und gelangten die Eiderdänen je zur Herrschaft, so wurden unfehlbar
alle die drei politischen Kräfte, welche im Volk Schleswig-Holsteins noch
halb unbewußt arbeiteten, zugleich aufgeregt und zu unversöhnlichem
Widerstande gezwungen: das Rechtsgefühl, der Freiheitsmut, der deutsche
Nationalstolz.
Wieder war es Lornsen, der zuerst in der Nordmark die Zeichen der
verwandelten Zeit erkannte. Der hatte sich während seiner Haft rastlos
forschend in die Geschichte der Herzogtümer eingelebt und mit freudigem
Erstaunen entdeckt, wie fast alles, was er einst aus politischen Gründen
für seine Heimat verlangt, schon in den alten Freiheitsbriefen des
Landes begründet war: „Die Schleswig-Holsteiner“, so sagte er nunmehr,
„haben nichts zu wünschen, was sie nicht auch zu fordern ein Recht haben.“
Froh dieser neugewonnenen Erkenntnis, arbeitete er nun an einem Buche
über „Die Unionsverfassung Dänemarks und Schleswig-Holsteins“, um
seinen Landsleuten zu zeigen, wie sie auf dem Boden ihres alten Rechtes
den neuen Staat Schleswig-Holstein aufbauen sollten. Gegen Falcks
streng konservative Gesinnung sprach er sehr scharf, nicht ohne die Un-
gerechtigkeit, welche den Vertretern neuer, zukunftsreicher Gedanken anzu-
haften pflegt. Sein Ziel lag schon höher: er wollte jetzt die reine Per-
sonalunion, die Selbständigkeit des transalbingischen Staates auch im
Heerwesen und Staatshaushalt. Er warnte die Holsten vor dem gut-