Nordschleswig. Oldenburg. 177
angenommen, und erst als die Dänen die erteilte Vollmacht mit unge—
stümer Härte mißbrauchten, gingen den Deutschen die Augen auf. Mehr
und mehr geriet der alternde König in die Hände der hänischen Fanatiker;
er scheute sich nicht, 5 Mill. Reichsbanktaler, welche die Herzogtümer
von der Nationalbank zu fordern hatten, dieser ausschließlich dänischen
Anstalt einfach zu schenken. Angesichts solcher Gewaltstreiche verschwand
allmählich die alte sorglose Selbstgenügsamkeit; die Holsten fühlten sich als
Markmannen des großen Deutschlands. Das junge Geschlecht empfand
anders als der alte Rist, der bis zum Grabe, unbekümmert um den
Wandel der Zeiten, als treuer königlicher Beamter in der Gottorper
Regierung seine Akten erledigte. In Kiel unterhielt Dr. Balemann
einen regen Verkehr mit den Führern der süddeutschen Opposition, und
Theodor Olshausen verfocht in seinem Korrespondenzblatte, der einzigen
namhaften Zeitung des Landes, die Ideen eines demokratischen Libera-
lismus, der über Falcks altständische Anschauungen sehr weit hinausging.
Die Unwahrheit des bestehenden Rechtes trat einmal grell zu Tage, als
der junge Jurist Georg Beseler den herkömmlichen Homagial-Eid leisten
sollte und mit Schrecken entdeckte, daß der Schwur auf das absolutum
dominium des dänischen Königsgesetzes sich mit dem Landesrechte Schles-
wig-Holsteins schlechterdings nicht vertrug. Er folgte seinem Gewissen und
verließ die Heimat. Diesseits wie jenseits des Beltes begann man zu
ahnen, daß man in solchen Widersprüchen nicht mehr leben könne.
Mittlerweile ward der Fortbestand des königlichen Hauses immer
fraglicher, da Prinz Friedrich, der Sohn des Thronfolgers, kinderlos blieb.
Mit krampfhaftem Eifer bemächtigte sich die dänische Presse der Erbfolge-
frage; Leitartikel und Flugschriften wiederholten beharrlich das alte
Märchen, daß Schleswig gleich dem Königreiche Dänemark der Thron-
folgeordnung des Königsgesetzes unterliege. Zur Widerlegung erschien
im Jahre 1837 in Halle eine anonyme Schrift „Die Erbfolge in Schleswig-
Holstein“, die nüchtern und ohne Wortprunk, aber sehr nachdrücklich den
Anspruch des Hauses Augustenburg auf die Herzogskrone Schleswig-Hol-
steins verteidigte; sie hielt sich streng in den Grenzen einer erbrechtlichen
Untersuchung, von politischer Freiheit, von dem deutschen Volkstum
Schleswig-Holsteins sagte sie nichts. Der Verfasser war, wie sich bald
herausstellte, Herzog Christian von Augustenburg selbst. Die jüngere Linie
des oldenburgischen Hauses sprach also schon offen die Erwartung aus,
daß die deutschen Herzogtümer sich demnächst von Dänemark trennen
würden. Die Frage der Zukunft Transalbingiens war gestellt.
In den benachbarten kleinen niederdeutschen Gebieten stiegen aus
dem Strudel der europäischen Revolution nur schwache Blasen auf. Der
Pöbel auf dem Hamburger Berge trieb einmal argen Unfug gegen die
Juden und die Akzise. Etwas ernsthafter war eine konstitutionelle Be-
wegung im Jeverlande, die bald auch in anderen Landesteilen des bunt-
v. Treitsch ke, Deutsche Geschichte. IV. 12