Full text: Deutsche Wappenrolle.

In der Heidelberger Liederhandschrift findet sich das Wappen 
von Meissen mit diesem seltsamen Kleinode zur Darstellung ge- 
bracht. (Fig. 50.) 
Ein ähnliches Bild zeigt auch die Züricher Wappenrolle, 
nur trägt dort der Löwe eine rote Krone, der Schaft ist nicht 
golden, sondern mit der roten Helmdecke überzogen. Die Stadt 
Grossenhain in Sachsen führt in ihrem Siegel heute noch das 
Wappen von Meissen mit diesem uralten Kleinod. Später, nach- 
dem der Topfhelm den Kübelhelm verdrängt hatte, wurde dieses 
je Helmkleinod aufgegeben und durch 
den sogenannten »Juden- oder Hei- 
denkopf« ersetzt, dessen Mitze 
sowie der Rock in den Farben des 
thüringischen Löwen gestreift ist, 
Das ncue Kleinod findet sich 
zum erstenmale im Siegel Fried- 
richs des Strengen, 1349. 
Die Zanderafschaft Thüringen 
kam durch die Heirat Dietrichs von 
Meissen mit Jutta, der Schwester des 
letzten Landgrafen von Thüringen, 
Heinrich Raspes (} 1247), nach dem 
Tode Raspes und der Beendigung 
des Erbfolgestreites mit Sophie, 
der Tochter von Raspes Bruder, 
Ludwig IV., 1264 in den Besitz 
von Meissen. 
DerSchild von Thüringen zeigt 
im blauen Felde einen gekrönten, von Rot und Silber quer- 
gestreiften Löwen. Die roten und silbernen (Juerstreifen des 
Löwen stammen höchst wahrscheinlich aus dem altarpadischen 
Wappenschilde, da Ludwigs IV. Gemahlin, die hl. Elisabeth, 
eine Tochter Königs Andreas Il, von Ungarn gewesen war, und 
man zu jener Zeit gerne die Wappen von im Range höher 
stehenden Personen, mit denen man sich verbunden hatte, mit 
dem eigenen Wappen in irgend einer Weise in Verbindung 
brachte. 
Zu Marburg, in der nach der hl. Elisabeth benannten 
Kirche finden sich zwei hochinteressante Originai-Wappenschilde 
mit dem thüringischen Löwen. Der eine Schild gehörte dem 
Landgrafen Conrad von Thüringen, Hochmeister des Deutschen 
Ordens (+ 1241), der andere dem Landgrafen Heinrich dem Jüngeren 
von Hessen (1208). Der Schild des letzteren ist noch sehr 
gut erhalten und giebt genau das Bild. des Wappens. Der gold- 
gekrönte, gezähnte und bewehrte Löwe im blauen Felde ist von 
Rot und Silber achtfach quergestreift. (Ueber diese beiden Schilde 
erschien eine eigene Publikation von F. Warnecke, Berlin 1884.) 
Das Helmkleinod von Thüringen beschreibt ebenfalls Conrad 
von Würzburg: 
  
Fig. 50. 
»Margun Heinrich von misen«. 
Heinrich III. der Erlauchte. 
(1221—1288.) 
(Heidelberger Codex.) 
»Sin helm was ınit zwein hornen 
gezierct wol in fürsten wis, 
diu lühten beide silbergris, 
und heten schöne sich gebogen. 
üz in geslozzen und gezogen 
von golde löuber wären, 
dia glast der heide baren 
rilichen unde schöne ... .« 
Die silbernen Hörner waren mit vergoldeten Stäbchen be- 
steckt, an denen vergoldete Metallblättchen herabhingen, die bei 
jeder Bewegung des Helmträgers, namentlich beim Ritt, gar 
lustig klingen mochten. Dass man von dieser alten Tingierung 
abgegangen ist, und den Blattstäben die Naturfarbe gegeben hat, 
ist sicherlich nicht gutzuheissen. Wir haben deshalb diese Stäbe, 
weil deren grüne Farbe offiziell bei allen sächsischen Staaten 
vorgeschrieben ist, zweigartig gezeichnet, um wenigstens die 
grüne Farbe mit der Form in Uebereinstimmung zu bringen. 
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Zur Zeit der lebenden Heraldik wurde der Helm von Thüringen 
ohne Helmkrone getragen. (Weiteres über das Wappenbild siehe 
bei Hessen, Tafel IX.) 
Im Jahre 1815 musste infolge der Alhmachungen des Wiener 
Kougresses das Königreich Sachsen den »Thüringer Kreis« an 
Preussen abtreten. 
Die Pfale Sachsen (Pfalz, ein für den Unterhalt der 
Pfalzgrafen, der Verwalter der kaiserlichen Pfalzen [Kammer- 
güter] bestimmtes Gebiet, das später erbliches Eigentum der Pfalz- 
grafen geworden war), kam nach dem Aussterben des pfalz- 
gräflich-sächsischen Hauscs der Sommerschenburger durch kaiser- 
liche Belehnung, 1181, an die Landgrafen von Thüringen. Mit 
der thüringischen Erbschaft nahm Heinrich der Erlauchte von 
Meissen auch die Pfalzgrafschaft von Sachsen in Anspruch, aber 
Rudolf von Habsburg belehnte (1288) mit der Pfalzgrafschaft 
den Herzog von Sachsen-Wittenberg und 
das Haus Wettin bekam erst durch Karl IV. 
(1350) einen Teil derselben bestätigt. Mit 
dem Herzogtume Sachsen-Wittenberg er- 
hielt Friedrich der Streitbare, 1423, end- 
lich das ganze Pfalzgrafentum. Für die 
Pfalz Sachsen wurde ursprünglich kein 
eigenes Wappen geführt, erst Herzog Hein- 
rich von Braunschweig - Grubenhagen, 
Schwiegersohn des Wettiners, Albrecht des 
Entarteten (}1314), der die Pfalz Sachsen 
inne hatte, erfand zum Zwecke der Siegelführung als Pfalzgraf 
von Sachsen ein eigenes Wappen. Er wählte das Wappen, das 
Heinrich Raspe als Römischer König von 1246 bis 1247 geführt 
haben soll und das von Matthäus Parisiensis in seiner Historia 
Anglorum überliefert wurde: im blauen Felde einen goldenen 
Adler. (Fig. 51.) 
Ob nun dieses Wappenbild dem braunschweigischen Herzoge 
als Königswappen Heinrich Raspes hekannt war, oder ob er, 
nachdem Raspe sich in seinem Siegel »PALATINUS : COMES ° 
SAXONIE« (1231) nannte, dasselbe für das Wappen der Pfalz 
Sachsen hielt, ist schwer zu entscheiden. 
Es ist aber höchst wahrscheinlich, dass dieser Adler be- 
reits von den Sommerschenburgern geführt wurde und Herzog 
Heinrich denselben nur wieder neu aufleben liess, denn Graf 
Dietrich von Groitzsch (f1207), aus einer wettinischen Seiten- 
linie und mit den Pfalzgrafen von Sachsen verwandt, der sich 
auch von »Sommerschenburg« nannte, führte in seinem Siegel 
einen halben Löwen (Meissen) und einen halben Adler. 
Die Krone wurde dem Adler erst viel später auf das Haupt 
gesetzt. 
Man teilte die Pfalz Sachsen in die Pfalz Sachsen-Allstädt 
und Sachsen-Lauchstädt und nannte letztere Pfalz Thüringen. 
Eine eigentliche Pfalz Thüringen hatte es nie gegeben; 
das Wappen dieser Pfalz, ein goldener Adler im schwarzen Felde, 
also ein Gegenwappen des Kaiserlichen, wurde im XV, Jahrhundert 
unter Kurfürst Ernst (} 1486) in das sächsische Wappen auf- 
genommen, 
Die Herrschaft Pleissen, das Pleissnerland (Terra plisnensis), 
wurde vom Kaiser Friedrich II. dem Markgrafen von Meissen, 
Heinrich dem Erlauchten, anlässlich der Heirat ihrer Kinder 
1256 verpfändet. 1323 wurde das Land vom Kaiser Ludwig 
dem Bayern an Meissen vollständig abgetreten. Der Löwe von 
Pleissen, von Gold über Silber quergeteilt, der erst in der zweiten 
Hälfte des XV. Jahrhunderts gebildet und in das Siegel auf- 
genommen worden war (Ringsiegel Wilhelms III. 1465), sollte 
eigentlich aufrecht stehen, erhält aber wie alle Löwen in vielfeldigen 
Wappenschilden eine mehr schreitende Stellung, wodurch die 
Querteilung des Körpers scheinbar in eine Spaltung desselben 
verwandelt wird. 
  
Fig. sı. Wappen des 
römischen Königs Hein- 
rich Raspe nachMatthäus 
von Paris.
	        
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