Full text: Deutsches Kriegszustandsrecht.

80. 95 
auszudehnen. Das das Verwaltungsrecht beherrschende 
„freie Ermessen“ könnte den Militärbefehlshaber im Falle 
des § 4 bei Überspannung des „Grundrechtes der Polizei" 
nicht minder unter dem Gesichtspunkte des Notstandes zu 
Eingriffen, wie sie Lehmann bablehnt, führen, wie sie 
— ohne leidige Erörterungen über Gesetzesverletzung her- 
vorzurufen — heute schon auf Grund des § 9b mög- 
lich sind. Gerade das Beispiel, das Lehmann ga. 
S. 26 beibringt, versagt. ar der Militärbefehlshaber 
auch vor einer bundesrätlichen Beschlagnahmeermächtigung 
als Träger der vollziehenden Gewalt zu einer 
allgemeinen Beschlagnahme bei dringender unmittel- 
barer Gefährdung ermächtigt, so vermag ich nicht 
recht abzusehen, inwiefern der Militärbefehlshaber bei der 
Ausdehnung, die Lehmann selber dem „Grundrecht der 
Polizei“ gibt, bei der Schwierigkeit selbst für den Juristen, 
im öffentlichen Recht, wo man nicht einfach die Begriffs- 
bestimmung des Notstandes aus dem BG. oder St#B. 
ablesen darf, sondern feinere und subtilere Erwägungen 
anzustellen hat, um für den Einzelfall das Vorhandensein 
eines Notstandes festzustellen, gehindert sein sollte, eine 
allgemeine Beschlagnahme als „Akt weitausschauender 
Kriegs= oder gar Friedensvorsorge“ anzuordnen, wenn 
sein pflichtgemäßes Ermessen im Interesse der Volks- 
ernährung ihn dahin führt. Gerade so manche unerfreu- 
liche Erscheinungen der Lebensmittelfürsorge wären ver- 
mieden worden, wenn man in richtiger Anwendung des 
§#9b (auf den Inhalt, auf das Wie, nicht das Ob 
der Anordnungen wäre der Ton zu legen) im allgemeinen 
Interesse auch den einzelnen in stärkere Fesseln gezwungen 
hätte. Bis zum Ende durchgedacht, decken sich nach der 
Lehmannschen Formel sicherlich Anordnungen, er- 
lassen in Handhabung des polizeilichen Grundrechts (sc. 
der stentlcchen Sicherheit) und unter Zugrundelegung 
des öffentlichen Sicherheitsbegriffs des § 9b. Gerade 
das Beispiel der 2 lagnahmungen mit Enteignung, 
an die Lehmann doch wohl denkt, wäre aber besser ver- 
mieden worden. Denn nur im Falle eines Notstandes, 
nie aber aus § 9b wäre der Militärbefehlshaber vor 
der Bundesratsverordnung vom 24. Juni 1915 (Rol. 
S. 357) zu einer Enteignung aus anderen Gründen als
	        
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