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nichts zu tun und hat nur die Aufgabe, durch ihre Straf-
androhung einen Zwang zur Beobachtung der militärischen
Vorschrift auszuüben und so deren Wirkung zu sichern.
Wenn auch die Anwendbarkeit des Art. 4 Ziff. 2 im
besonderen Falle das Bestehen einer militärischen Vorschrift
voraussetzt, so gehört doch die einzelne Vorschrift nicht zum
Strafgesetz. Das mit dem Art. 4 Ziff. 2 gegebene Straf-
gesetz lautet: „Wer in einem in Kriegszustand erklärten
Orte oder Bezirke eine bei Verhängung des Kriegszustandes
oder während desselben von dem zuständigen obersten
Militärbefehlshaber zur Erhaltung der öffentlichen Sicher-
heit erlassene Vorschrift übertritt oder zur Übertretung auf-
fordert oder anreizt, wird . bestraft.“ Aus den Rechts-
begriffen dieses Strafgesetzes ist nur zu prüfen und zu
entscheiden, ob eine vorliegende Anordnung als eine Vor-
schrift im Sinne des Gesetzes, also als zur Erhaltung der
öffentlichen Sicherheit erlassen zu erachten ist; dagegen kann
die Frage, ob und welche äußeren Vorgänge sich abgespielt
haben, nach denen eine solcher Prüfung zu unterziehende
Anordnung ihr Dasein erlangt hat und was ihr Inhalt
ist, nicht strafrechtlicher Natur sein; ihre Beantwortung
lieat außerhalb des Strafgesetzes und schafft im einzelnen
Falle nur die Grundlage für die Prüfung. ob durch die
vorliegende Anordnungs der Rechtsbeariff einer Vorschrift
im Sinne des Art. 4 Ziff. 2 erfüllt ist. Zwar kommt auch
der als eine solche Vorschrift zu erachtenden Anordnung
an sich die Eigenschaft einer Rechtsnorm zu, aber sie ist
nicht eine solche strafrechtlicher, sondern verwaltungsrecht-
licher Natur. und es kann sich deshalb nicht nur bei der
Feststellung ihres äußeren Daseins. sondern auch bei der
Auslegung und Feststellung ihres Inhalts aegenüber dem
strafrechtlichen Tatbestande des Art. 4 Ziff. 2 nur um
Tatumstände im Singe des § 59 des St GB. handeln.
deren Unkenntnis demjenigen, der äußerlich die Vorschrift
übertreten hat, zugute zu rechnen ist.
.. Das Krieaszustandsgesetz vom 5. November 1912
will mit dem Art. 4 Fiff. 2 seine Zwecke nicht dadurch
erreichen, daß der Vorschrift des Militärbefehlshabers die
Eigenschaft eines Strafaesetzes beigelegt werden soll,
womit ohne weiteres in jeder vorsätzlichen Vornahme einer