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zweifelhaft kann aber unter Umständen eine solche in
Zeiten, wie der gegenwärtigen, schon darin erblickt
werden, daß jemand mit der Möglichkeit des Westeheng
eines Verbots rechnen muß (vgl. REG. vom 12. Juli
1915 1 417/15, Recht 1915 S. 517 Nr. 843) und es
verabsäumt, sich zu erkundigen, wobei allerdings — und
unter diesem Gesichtspunkte gewinnt eine Veröffentlichung
der Anordnungen des Militärbefehlshabers in ortsüb-
licher Weise, die von der Tendenz getragen ist, die Anord-
nung, soweit möglich, allen Bewohnern des Gebietes für
die sie erlassen sind, zugänglich zu machen (vgl. BayObL G.
vom 2. März 1915, Beibl. JM Bl. 1915 S. 52), besondere
Bedeutung — eine Nachforschung in Amtsblättern und
Tageszeitungen nicht unbedingt verlangt werden kann.
Daß — wie auch sonst — Persönlichkeit und Bildung des
Angeklagten bei der Beantwortung der Schuldfrage eine
wichtige Rolle spielen, wird vom RG. vom 12. April
1915 III 145/15, L3. 1915 S. 622, DJZ. 1915 S. 717,
Dötr . 1915 S. 399; vom 1. November 1915, BayIMl.
1915 S. 448; vom 4. November 1915 I 711/15,
Bay IMBl. 1916 S. 47, zutreffend betont. In vielen
Fällen wird übrigens eine unterbliebene Erkundigung
nicht mehr als fahrlässiges Handeln, sondern als vorsätz-
liches (dC us eventualis) gewertet werden müssen, so
dann, wenn der Täter zwar Zweifel hinsichtlich des Be-
stehens eines Verbotes hegt, aber zwischen Auftauchen
dieser Zweifel und der Erkundigung unbekümmert so
handelt, als wenn kein Verbot bestände, oder wenn er,
im unklaren über die Tragweite oder den Inhalt eines
Verbotes, dieses in einem ihm günstigen Sinn auslegt. —
Sehr beachtliche Ausführungen finden sich in einem Ur-
teile des BayObLG. vom 29. April 1915 (JIMl. 1915
S. 140/41): „Aus der jedermann bekannten Art der
feindlichen Kriegführung, die auf Aushungerung des
eutschen Volkes abzielt, erwächst für jeden Staatsbürger
die Pflicht, nach seinen Kräften und Mitteln zur Durch-
führung der dadurch notwendig gewordenen und noch not-
wendig werdenden wirtschaftlichen Maßnahmen mitzu-
wirken. An die Erfüllung dieser Pflicht muß daher der
strengste Maßstab angelegt werden. Da das Vergehen
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Strupp, Belagerungsgesetz.