114 B. Gesetz über den Belagerungszustand.
nach dem Art. 4 Ziff. 2") auch fahrlässig begangen
werden kann, genügt jedes noch so geringe Verschulden
zur Zurückweisung des Einwands der Unkenntnis, oder
m. a. W.: Der Einwand kann nur dann beachtet werden,
wenn es dem Betreffenden trotz aller Bemühungen, Vor-
sicht und Aufmerksamkeit nicht möglich geworden ist,
von den Anordnungen Kenntnis zu erlangen. Darum kann
3. B. die Berufung einer Person, daß sie überhaupt keine
Zeitung oder doch das Amtsblatt oder das Verkündigungs-
blatt nicht lese, nicht berücksichtigt werden. Hat jemand
etwa Bedenken oder Zweifel über das Vorhandensein oder
die richtige Bekanntmachung einer Anordnung, so ist er
verpflichtet, sich durch Erkundigungen bei den maßgeben-
den Behörden oder Auskunftsstellen (Redaktionen usw.)
Gewißheit zu verschaffen. Unterläßt er dies und nimmt
er trotzdem eine gegen die tatsächlich bestehende Anordnung
verstoßende Handlung vor, so handelt er je nach Lage des
Falls der Anordnung vorsätzlich oder fahrlässig zuwider."
Vgl. auch BayObLG. vom 20. Mai 1915 (JMBl.
S. 161), vom 8. Juni 1915 (S. 219), vom 23. September
1915 (JM#ll. 1915 S. 332)2). Z
e) Die hier vertretene Auffassung, daß nicht § 9b,
sondern die Anordnung des Militärbefehlshabers der
Strafsatzung das Siasae etz bilde, führt zu einer — dem
Täter günstigen — Folge für den Fall, daß der Militär-
befehlshaber, der, und zwar der allein die von ihm
erlassenen Anordnungen in schärfendem oder abschwächen-
dem Sinne ändern, ja sogar aufheben kann, eine von ihm
herrührende Norm mildert oder annulliert. Da sich in
diesem Falle das Strafgesetz geändert hat, so ist der
Täter nach § 2 II St GB., nach dem milderen Gesetze, zu
bestrafen (a. A. von seinem Standpunkt aus, daß 8 9b
1) Also auch § 95b1
2) Vgl. hierher noch RG. vom 15. Oktober 1915 IV
526/15, Sächs Arch. 1915 S. 486; vom 22. September
1915 III 77/17, ebenda S. 499; vom 20. Januar 1916
V 304/15, Pr VerwBBl. 1916 S. 311; REG. 1 4/16 vom
17. Februar 1916, L3. 1916 S. 534, Pr Verw l. 1916
S1051 ½6, III vom 6. März 1916 29/16, Pr VerwBl.