26 A. Ges., betr. die Verfassung des Deutschen Reiches.
Kammern S. 166 ff., daß in der ersten Kammer nach-
drücklichst die Auffassung vorgeherrscht hat, es handle sich
um Zustände, die einem Kriege vorangehen können
so auch Arndt, StR. S. 471, Dambitsch S. 618,
iese S. 114, Hänel S. 435, Thudichum S. 289;
a. A. die herrschende Lehre, namentlich ZJorn, St. i
S. 199, Haldy S. 46, zweifelhaft Fleischmann
S. 398; Laband IV S. 45 schweigt). Wenn Haldy,
trotz ausdrücklicher Anerkennung, daß das Gesetz den
Zweck, den es verfolgt, um so besser Dreichen könne, je
früher die unbedingte Befehlsgewalt der Militärbefehls-
haber in ihre Rechte trete, meint, daß das Gesetz als Aus-
nahmegesetz, wie alle leges speciales, strictissime zu
interpretieren seien, so ist dem entgegenzuhalten, daß jeden-
falls dann diese Regel zurücktreten muß, wenn sie sich
mit der Vernunft in Widerspruch setzt (Galdy verweist
gerade hier auf 1. 141 pr. D. de reg. juris 50, 17:
„ducd autem contra rationem juris receptum est.
non est producendum ad consequentias“. Auch ich
möchte diesen Satz zitieren, aber mit anderem Ergebnis
als Haldy).
65) Es ist Tatfrage, die vom Kaiser nach freiem
Ermessen zu entscheiden ist, und die — vgl. oben VI a;r
scwie Laband IV S. 44 — keinerlei Nachprüfung
seiten iirgendwelcher staatlicher Organe, also auch nicht
es Reichstags oder Bundesrats unterliegt, ob Teile des
Reiches vom Feinde bedroht sind.
2. Dieselben Auslegungszweifel, die uns unter 1 be-
gegnet sind, gelten für den zweiten Fall der Verhängung
des Ausnahmezustands, wenn §& 2 des preußischen Gesetzes
bestimmt: „Auch für den Fall eines Aufruhrs kann,
bei dringender Gefahr für die öffentliche Sicherheit, der
Belagerungszustand sowohl in Kriegs= als in Friedens-
zeiten erklärt werden.“
a) Auch hier erhebt sich die Frage, ob „auch für den
Fall“ temporal oder konditional zu interpretieren ist. In
erfreulicher Weise zeigen uns die Verhandlungen, daß
sowohl die Regierung wie die Mehrheit der Abgeordneten
der I. Kammer bereits bei Drohen eines Aufruhrs die
Verhängung des Ausnahmezustandes für zulässig gehalten