42 B. Gesetz über den Belagerungszustand.
daß dies ein solcher Militärbefehlshaber sein
muß, der mit Disziplinstrafgewalt versehen ist
und die Mittel besitzt, um nötigenfalls Kriegs-=
gerichte anordnen zu können. Dahin gehören
aber bloß die Militärbefehlshaber höherer
Grade.“ Daß jedoch hiermit nicht notwendig der Korps-
kommandeur gemeint sein müsse, hatte Fleck bereits in
der I. Kammer (18. Sitzung vom 8. Februar 1851
Sten Ber. S. 274) zu klarem Ausdruck gebracht.
Der dort ausgesprochenen Meinung kann insoweit bei-
gepflichtet werden, als sie auch in die Hand eines im Range
Geringeren als des Kommandierenden, d. h. des de
fachto kommandierenden Generals (bzw. Festungs-
kommandanten) die Befugnis zur — ganz ausnahms-
weisen — Verhängung des Belagerungszustandes legen
will. Demgegenüber hat man (so Ehrenberg D38.
1915 S. 859) auf die gewaltige Fülle von Beugwien.
wie sie insbesondere die §8§ 4, 9, 10 enthalten, hingewiesen.
Erwägt man allerdings, daß jener Mächtekomplex selbst
bis zur Erteilung von Geboten und dem Erlaß von Ver-
boten reichen kann, denen die höchsten Behörden des Staates
bis hinauf zu den Ministerien Folge zu leisten haben, so
erscheint es freilich für den ersten Augenblick nicht un-
bedenklich, daß schon jeder Stabsoffizier (nur an solche
ist nach den zutreffenden, zuletzt zitierten Ausführungen
des preußischen Regierungsvertreters in der II. Kammer
zu denken) befugt sein könne, den Ausnahmezustand herbei-
zuführen. Daß das Gesetz aber primär gar nicht an
den kommandierenden General gedacht hat, ergibt der all-
gemein übersehene Satz 2 Abs. 2 des § 7. der dem Be-
fehlshaber der in Belagerungszustand erklärten Besatzung
bei Todesurteilen das ihm sonst zustehende Recht zur Be-
stätigung kriegsgerichtlicher Erkenntnisse versagt und diese
in Friedenszeiten (also regelmäßig in den Fällen des § 2)
dem kommandierenden General der Provinz überträgt
Wie 1885 unter Bestätigung des preußischen Staats-
ministeriums, an dessen Spitze Bismarck stand, der
Bezirkskommandeur in Bielefeld den Ausnahmezustand
verhängt hat, so darf — und das beweist, daß es dem
Reichstag als nichts Ungeheuerliches erschien — ja auch
nach dem Gesetz vom 30. Mai 1892 über die Vor-