54 B. Gesetz über den Belagerungszustand.
wo mit der nicht befriedigenden Begründung operiert wird,
daß der Militärbefehl shaber die vollziehende Gewalt nicht
der einzelnen bundesstaatlichen Behörde übernähme, die
an Formvorschriften gebunden. sein könne, sondern kraft
Reichsrechts Art. 68 RV. die gesamte vollziehende
Gewalt des einzelnen Bundesstaates. Das Reichsrecht ent-
sealte aber, was die Formfrage angehe, keinerlei Vor-
chriften. Dabei übersieht das Reichsgericht, daß Satz 1
des Art. 4 in seiner lakonischen Kürze auch in materieller
Hinsicht nichts bestimmt, daß man also mit diesem
Argument ebensogut ein Handeln des Militärbefehlshabers
contra legem rechtfertigen könnte. In Wirklichkeit gilt
hier der Satz: Lex, cum tacet, clamat. Aus dem Be-
griff der Verwaltung müssen die erforderlichen Schlüsse
in materieller und formeller Hinsicht gezogen werden. Vom
praktischen Standpunkt aus wird weiter vom Reichsgericht
darauf hingewiesen, daß bei abweichender Auffassung der
Kommandant einer gingeschlossenen Festung unter Um-
ständen trotz dringendster Notwendigkeit außerstande wäre,
die nach der Sachlage gebotene Anordnung wirksam ins
Leben zu rufen. So auch RG. vom 26. Bril 1915 (III
87/15, LZ. 1915 S. 758; DJZ. 1915 S. 923; Sächs.
Archiv 1915 S. 369; Recht 1915 S. 346; Prer##.
20 S. 807), vom 0. Mai 1915 (III ifie, 23. k6dc6
Conrad, LZ3. 1915 S. 471.
Auch für die Frage der Rechtsmittel wird ins
Lrrf en geführt, daß bei Schweigen der Gesetze jene gegen-
übrr Anordnungen der Militärbefehlshaber nicht in Frage
ämen.
3. übersiett man ganz einmal allgemein, daß die Ein-
su hrung der erwaltungsgerichtsbarkeit in Preußen einer
päteren Zeit angehört als der, in welcher das Belage-
rungszustandsgesetz geschaffen wurde), auch — pol.
1) Sie datiert bekanntlich von dem preuß. Gesetz
vom 3. Juli 1875. Vorher war allerdings in gewissen
Fällen gegen polizeiliche Verfügungen der ordentce
Rechtsweg zugelassen: Gesetz vom 11. Mai 1842 (G.
S. 195). Vgl. übrigens auch V. vom 26. Dezember 1808
88 36 ff (GS1817S282)