64 B. Gesetz über den Belagerungszustand.
Möglichleit bestehen muß, auch ohne einen besonderen
gesetzlichen Akt eine Reihe wichtiger, die Diktatur hemmen-
der Gesetze durch einfachen Akt der Exekutive vorüber-
gehend außer Kraft zu setzen. Gab man dem König in
Preußen durch Art. 63 Vll. ein Notverordnungsrecht, so
bestimmte Art. 111 der preuß. Verfassungsurkunde: „Für
den Fall eines Krieges oder Aufruhrs können
bei dringender Gefahr für die öffentliche
Sicherheit die Artikel 5, 6, 7, 21, 28, 29, 30 und
36 der Verfassungsurkunde zeit= und distrikt-
weise außer Kraft gesetzt werden. Das Bähere
bestimmt das Veset. Das dort vorgesehene Gesetz
ist nun § 5 des Belagerungszustandsgesetzes. Es ist,
soweit der Ausnahmezustand vom Kaiser und nicht als
preußischer Landesbelagerungszustand verhängt wird, die
einzige Rechtsquelle. Denn wenn Art. 111 — nicht aber
5 — die Suspension „bei dringender Gefahr für die
öffentliche Sicherheit“ zuläßt, so kommt diese Vorschrift
doch als rein preußische, durch Art. 68 RV., mangels
jedes Hinweises dort oder in § 5 des Belagerungs-
zustandsgesetzes, nicht rezipierte Norm für den Reichs-
kriegszustand nicht in Betracht. Aber auch soweit ein
landesrechtlicher (preußischer) Ausnahmezustand in Frage
teht, hat Art. 111 seine Bedeutung verloren. Nicht nach
einem Wortlaut. Denn nur „das Nähere“ sollte das
damals noch nicht ergangene Belagerungszustandsgesetz
regeln. Wohl aber ist die in Art. 111 aufgestellte Vor-
aussetzung „bei dringender Gefahr für die öffentliche
Sicherheit“ nicht erst dann, wenn zur Suspension ge-
schritten werden darf, sondern, nach dem schon früher
(S. 39) Ausgeführten, bereits dann gegeben, wenn
überhaupt der Belagerungszustand verhängt wird.
Diese Feststellung ist aber von nicht zu unterschätzender
Bedeutung für die Auslegung des § 5 B3G. Denn sie
besagt, daß, wenn der Belagerungszustand überhaupt
versengt ist, eine weitere Voraussetzung für die Sus-
pension nach s 5 nur — worüber unter III — in räum-
licher und zeitlicher act besteht, daß es im übrigen
aber im pflichtgemäßen, sonst aber freien Er-
messen der Anordnungsberechtigten steht, ob von der
Befugnis des § 5 Gebrauch gemacht werden soll oder nicht.