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gestellt und gelöst, die nicht nur die Sprache der Alten, sondern auch
ihre Anschauung widerspiegeln sollten. Vor allem aber wurde in
diesem Kreise die Scholastik der abfälligsten Kritik unterzogen, ja sogar
über die von den Universitäten verliehenen Würden wurde auf das
Geringschätzigste geurteilt. Hierdurch kam es nun zum vollendeten
Gegensatz zwischen den Anhängern des Alten und den neuerungs-
süchtigen Poeten. Es zeigte sich das dann in der Stellung der
Humanisten und der Alten in dem oben erzählten Streit der Stadt
mit dem Rate während des sogenannten tollen Jahres. Während die
älteren Lehrer es mit dem Rate hielten und darum, wie z. B. Henning
Goede, aus der Stadt wichen, blieben die Poeten in der Stadt und
machten aus ihren Sympathien für die Sache der Gemeinde kein Hehl.
Dabei hatte es freilich sein Bewenden; für ein energisches litterarisches
Eingreifen in die Fehde war doch nicht die Lust vorhanden. Der
dann ausbrechende Studentenkrawall vertrieb auch die Mutianer aus
der Stadt, in die sie erst allmählich und nur zum Teil wieder zurück-
kehrten. Die Blüte der Universität war dadurch geknickt. Luther hat
bekanntlich, da er 1508 die Stadt schon verlassen hat, diese Episode
des Aufruhrs nicht mit erlebt. Aber wir sehen, wie seine Studien
und Entwickelungsjahre in die Zeit der humanistischen Umgestaltung
der Universität fallen, und können nicht daran zweifeln, daß er von
dieser geistigen Atmosphäre nicht bloß äußerlich berührt worden ist.
Er hatte allerdings mit Mutianus Rufus keinen Verkehr, aber doch
mit Männern dieses Kreises, wie Johann Lange und Crotus Rubianus.
Wohl hat er dann gezeigt, wie sehr auch ihm die klassischen Studien
am Herzen lagen, aber sie traten ihm vor den zur Zeit wichtigeren
theologischen Fragen in den Hintergrund. Als aus diesem Kreise eine
der köstlichsten Satiren aller Zeiten hervorging, die epistolae obscuro-
rum virorum, an deren Abfassung hauptsächlich Crotus Nubianus
beteiligt gewesen war, verhielt sich der positiv angelegte Luther recht
ablehnend dagegen. Dieses Gegenstück zu den von dem belannten
Gelehrten, dem Gräcisten und Hebraisten Johannes Reuchlin in
seinem Kampfe mit den kölner Dominikanern veröffentlichten Zu-
schriften berühmter Männer (epistolae clarorum virorum) war
eine so gelungene, in Sprache und Inhalt den Angegriffenen so
gut abgelauschte Hervorbringung, daß diese selbst im Anfange von