1851 Otto von Bismarck-Schönhausen. 143
im Corpsdienst auf und unter, um dann in geistlosem Phili-
sterium trocken hinzuschleichen: sondern kein Tag erschien, an
dem er nicht nach lehrreicher und anregender Lectüre ge-
griffen, und dem aufstrebenden Gedanken Nahrung und Er-
frischung geboten hätte. Schon als Knabe hatte er eifrig
Geographie getrieben, welche Wissenschaft sich damals noch
nicht zu dem modernen Conglomerat von Fragmenten aller
Naturwissenschaften entfaltet hatte, sondern sich wesentlich mit
der Vertheilung und den äußern Zuständen der Menschen in
den verschiedenen Ländern befaßte: Bismarck pflegte gerne zu
erzählen, wie früh ihm durch gründliches Studium der Karte
von Deutschland, mit ihrem Farbenreichthum von 39 ver-
schiedenen Landesgrenzen, die Erkenntniß der Naturwidrigkeit
eines solchen Gebildes aufgegangen sei. Vor Allem aber
widmete er sich, wie nach einem Vorgefühl des künftigen
Wirkens, historischen Studien. Nach der eigenen weitern Er-
fahrung sprach er den Grundsatz aus, für jeden Staatslenker
sei ein richtig geleitetes Studium der Geschichte die wesent-
liche Grundlage des Wissens; hier allein sei zu lernen, was
bei der Verhandlung mit andern Staaten in jeder Frage
erreichbar sei; in der Fähigkeit aber, die Grenzen des Erreich-
baren zu erkennen, sei die höchste Aufgabe der diplomatischen
Kunst bezeichnet.
Sein ganzes späteres Leben bildet einen praktischen
Commentar zu diesem Satze. Hier hat er sowohl die Kühn-
heit geschöpft, die Ziele seiner Action sich möglichst hoch zu
setzen, als die Besonnenheit, niemals im Siegesrausche über
die Grenze des Erreichbaren hinaus zu schweifen.
Nach den akademischen Jahren machte Bismarck eine
kurze Probezeit im Verwaltungsdienste durch; bald aber wurde