Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band. (2)

1851 Friedrich Wilhelm IV. und Bismarck. 145 
1847 Bismarck's Ausführungen im Vereinigten Landtag über 
den christlichen Staat und das Königthum von Gottes Gnaden 
mit Wohlgefallen bemerkt hatte. Ich weiß nicht, ob bei ihm 
ein sympathischer Zug zu dem genialen, aber in seinem Wesen 
von ihm so grundverschiedenen Manne vorhanden war; jedes- 
falls nahm Friedrich Wilhelm, zu dessen starken Seiten sonst 
eine zutreffende Menschenkenntniß nicht gehörte, Bismarck's 
hervorstechende Begabung wahr, und setzte sich vor, ihn zu 
einer großen Bestimmung selbst heranzubilden. Er hielt mich, 
sagte später Bismarck, für ein Ei, aus dem er einen Minister 
ausbrüten wollte. Er überraschte ihn also durch die Sendung 
nach Frankfurt, als auf eine hohe Schule der Diplomatie, 
wo damals in der That alle Fäden der deutschen Politik 
zusammen liefen. 
Ganz im Sinne des Königs hat man oft von Bismarck's 
Frankfurter Lehrjahren geredet, ungefähr ebenso passend, wie 
wenn man von der Schwimmschule eines jungen Fisches 
sprechen wollte. Gewiß, er, der bisher niemals im diplo- 
matischen Dienste sich geübt hatte," trat hier in eine ihm 
fremde Welt, und hatte manche Kenntniß von Personen und 
Sachen sich erst anzueignen. Aber nachdem er sich binnen 
wenigen Wochen auf dem neuen Boden orientirt hatte, ent- 
wickelte er seit den ersten Schritten seines Wirkens seine 
politische Meisterschaft. Er war ein Staatsmann von Geburt. 
Eine freigebige Natur hatte ihn mit allen Erfordernissen des 
Herrscherberufes ausgestattet, mit rascher und durchdringender 
Auffassung aller Verhältnisse, mit scharfer Erkenntniß der 
Stärken und Schwächen jeder Position, mit sicherem Blick 
für die Brauchbarkeit der verschiedensten Menschen zur 
Förderung seiner Zwecke. Mit einer unerschütterlichen Willens- 
v. Sybel, Begründung d. deutschen Reiches. II. 10
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.