Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band. (2)

172 Neues Bündniß zwischen O sterreich und Preußen. 1852 
Auch hier meinte er Stoff in Fülle für die Ausübung 
seines Herrscherberufes anzutreffen. So demüthig und 
schweigsam sich die Pforte bei seinen Winken zeigte, so war 
doch auch nach Constantinopel das Gift der revolutionären 
Gedanken gedrungen; die Pforte hatte polnischen und un- 
garischen Flüchtlingen gastliche Zuflucht und einer Anzahl 
derselben sogar die Aufnahme in ihre Dienste bewilligt. Als 
Frankreich für die römischen Katholiken in Jerusalem größern 
Antheil an dem Besitz und dem Gebrauch der sogenannten 
heiligen Stätten auf Kosten der dortigen Griechen begehrte, 
zeigte sich der Divan nach einigem Sträuben zu solchen Ein- 
räumungen bereit; freilich beschränkte er auf Rußlands 
heftigen Widerspruch jene Zugeständnisse sogleich wieder auf 
ein lächerlich geringes Maaß, auf die Bewilligung eines 
Schlüssels zu einer nie verschlossenen Kirchenthür; aber auch 
dann noch blieb Nikolaus, auf Englands Zustimmung gestützt, 
bei der Erklärung, schon jener Versuch einer Kränkung der 
griechischen Kirche enthalte eine schwere persönliche Beleidigung 
gegen ihn selbst, zumal auch sonst die griechischen Gemeinden 
in verschiedenen Provinzen durch die Willkür der türkischen 
Beamten Verletzungen und Einbußen erlitten hätten, Rußland 
aber durch alte Verträge ein formelles Recht zur Beschützung 
seiner Glaubensgenossen besitze. Je vorsichtiger jetzt Frank- 
reich, trotz der offenbaren Grundlosigkeit der russischen Rechts- 
ansprüche, von seinen Forderungen zurücktrat, je gewaltiger 
sich 1852 Rußlands Machtstellung in dem übrigen Europa 
entfaltet hatte, desto näher lag dem stolzen Selbstherrscher 
der Gedanke, der günstige Zeitpunkt zur Lösung der längst 
gestellten orientalischen Frage im ausschließlich russischen 
Sinne sei gekommen. Oder mit andern Worten, er erging
	        
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