Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band. (2)

184 Neues Bündniß zwischen Osterreich und Preußen. 1854 
nischer Herrschaft zu erblicken, und ein göttliches Strafgericht 
sah er für jeden voraus, welcher für den Halbmond gegen 
das Kreuz das Schwert ziehen würde. So konnte es für 
ihn keine traurigere und rathlosere Wendung geben, als daß 
England Schritt auf Schritt in ein Bündniß zugleich mit 
der Türkei und mit Napoleon, in einen Incest, wie er sagte, 
mit dem Heidenthum und der Revolution, hineingezogen 
wurde, ohne daß er im Stande gewesen wäre, Rußlands 
Verfahren als die Quelle des ganzen Unheils zu rechtfertigen. 
Zunächst that er, was er konnte, den offenen Bruch zu ver- 
hüten. Schon im Juni 1853 hatte er einen Vermittlungs- 
versuch gemacht, der aber wie gewöhnlich das Unglück hatte, 
allen Parteien zu mißfallen. Dann stimmte er den Be- 
schlüssen der Wiener Conferenzen zu und befürwortete sie 
dringend in Petersburg, stets in der Hoffnung, daß gegen- 
über dieser Einmüthigkeit Europas Rußland sich nachgiebig 
erweisen würde. Als dies aber fehlschlug, und die Kriegs- 
erklärung der Westmächte gegen Rußland immer wahrschein- 
licher wurde, kam er in dem Wirbel der in ihm kämpfenden 
Gefühle zu Entschlüssen von ganz besonderer Art. Daß er 
in diesem „scheußlichen“ Kriege neutral bleiben wolle, stand 
bei ihm fest: denn mit Rußland konnte er nicht gehen, weil 
es Unrecht hatte, und gegen Rußland nicht, weil dies ein 
Kampf für Muhammed gegen Christus wäre. Dann aber 
zweifelte er nicht, daß Napoleon gegen das neutrale Preußen 
alle Bluthunde der Revolution loslassen und leider dafür in 
Deutschland nur zu viele Helfer finden würde. Um diese 
Gefahr zu beschwören, beschloß er, sich noch einmal in ver- 
traulicher Weise an England zu wenden. Er ersah sich dazu 
einen jener antirussisch gesinnten Diplomaten, den talentvollen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.