1855 Deutsche Stimmen für Bundesreform. 235
die parlamentarischen Kreise. Im Laufe des Sommers 1855
folgten sich in den Kammern von Bayern, Württemberg und
Gotha die Anträge und Resolutionen dieses Sinnes, und
auch das schwerwiegende Wort Volksvertretung beim Bundes-
tage wurde vernommen. Graf Buol, damals, wie wir wissen,
über den Bundestag gründlich erbittert, war leichtsinnig
genug, sich auf jene Verhandlungen einzulassen. Auf die
Klagen über Osterreichs orientalische Politik, die mit einem
Aufwande von 160 Millionen Gulden völlig unfruchtbar
geblieben, ließ er in den von ihm inspirirten oder unterstützten
Blättern im September geharnischte Erwiderungen folgen:
gewiß sei die jetzige Bundesverfassung ungenügend und die
Ursache des letzten Mißerfolgs; es dürfe nicht mehr vor-
kommen, daß bei einem Kriege ein Bundesglied von den
andern im Stiche gelassen werde; es müsse ein Bundesgericht
existiren, und eine mächtige Gewalt, ein Kaiser, müsse über
die Ausführung der Urtheile desselben wachen; unter allen
Umständen sei zu fordern, daß die auf historischem Boden
erwachsenen Ansprüche Osterreichs die gebührende Berück-
sichtigung finden. Es zeigte sich sogleich, daß diese Erörte-
rungen Osterreichs Ansehen in Deutschland zu steigern nicht
geeignet waren. Da bayerische Blätter sie gebracht hatten,
so richtete Minister Pfordten sehr unbefangen eine Anfrage
nach Wien, ob diese Zeitungsstimmen eine Ansicht der kaiser-
lichen Regierung aussprächen. Buol zog dann zurück; frei-
lieh sei die Bundesverfassung mancher Verbesserung fähig,
und jedesfalls die Zukunft des deutschen Föderativsystems
von dem Verhalten des Bundes in der orientalischen Frage
abhängig. Damit verdarb er es aber bei seinen werthen
Bundesgenossen ganz und gar, und Manteuffel fand beinahe