262 Der Ausgang der Regierung Friedrich Wilhelm's IV. 1857
Wiener Depesche einen neuen Sturm hervorrief. Trotz alle-
dem war die alte Freundschaft in seinem Herzen noch nicht
völlig erstickt: Ende December sandte er den Obersten Man-
teuffel noch einmal mit einem ausführlichen eigenhändigen
Briefe an den damals in Venetien weilenden Kaiser. In
Wien kam es zwischen dem Obersten und dem Grafen Buol
zu einer heftigen Auseinandersetzung, wobei jeder auf seinem
Standpunkt beharrte; Kaiser Franz Joseph empfing einige
Tage darauf den Obersten in der gnädigsten Weise, redete
in der Sache aber ganz wie sein Minister.
In denselben Wochen reiste im Auftrage des schweizer
Bundesraths eins seiner Mitglieder, Furrer, ein kluger und
gemäßigter Mann, zuerst nach Frankfurt, wo er mit dem
Präsidialgesandten Grafen Rechberg eine lange Unterredung
hatte, dann an die drei süddeutschen Residenzen, um sich über
die Frage des preußischen Durchmarsches zu erkundigen. Die
Antwort war überall die gleiche: derselbe sei genehmigt und
geregelt; er werde nach Ablauf des gesetzten Termins unauf-
haltsam erfolgen, wenn die Gefangenen bis dahin nicht frei-
gelassen seien. Auf Napoleon's Wunsch hatte Preußen am
27. December den Termin noch bis zum 15. Januar erstreckt:
bis dahin, so glaubte der Kaiser, würde die Birnc reif sein.
Und in der That, so war es. Wohl traf die Schweiz alle
Anstalten, den herandrohenden preußischen Angriff abzuwehren.
Der Bundesrath setzte mit großer Eile Auszug und Reserve
in Kriegsbereitschaft und schob schleunig einige Milizdivisionen
an die nördliche Grenze vor; die Großräthe der Cantone
bewilligten ihren Regierungen alle für die Vertheidigung er-
forderlichen Credite, Vereine zur Unterstützung der Familien
der ausrückenden Wehrmänner und zur Verpflegung der Ver-