272 Der Ausgang der Regierung Friedrich Wilhelm's IV. 1857
Auffassung durch mehrere classische Denkschriften, die mit der
vollen Klarheit seines, die Vergangenheit und Gegenwart
Europas umfassenden Blickes geschrieben waren. Mit über-
zeugendem Nachdrucke wies er darin die Verkehrtheit nach,
in der auswärtigen Politik nicht die Bestrebungen, sondern
den legitimen Ursprung eines Nachbars in die erste Linie der
Erwägung zustellen, und entwickelte in unwiderleglicher Bündig-
keit nach der damaligen Zerrüttung der deutschen Verhältnisse
die Nothwendigkeit für Preußen, durch auswärtige Bündnisse
einen festen Rückhalt zu gewinnen, und namentlich mit Frank-
reich auf gutem Fuße zu sein oder doch zu scheinen!). Wie
viel Lob diesen Erörterungen damals in Berlin zu Theil
wurde, weiß ich nicht; wenn ihnen jedoch Gerlach und die
Kreuzzeitung fortdauernd widersprach, so sorgte für den Er-
weis ihrer Richtigkeit Tag für Tag das Verhalten keiner ge-
ringeren Männer als des Grafen Buol in Wien und des
Herrn von Beust in Dresden.
Die kühle Aufnahme, welche im Sommer 1856 die
Denkschrift des sächsischen Ministers über Bundesreform, d.h.
über Einschränkung der Presse und der ständischen Rechte,
gefunden, hatte den ehrgeizigen Staatsmann keineswegs ab-
geschreckt. Er wußte, daß er bei jenen Bestrebungen auf den
Rückhalt Osterreichs zählen konnte, und beschloß also im
Frühling 1857, den Inhalt der Denkschrift, jetzt in bestimmten
Anträgen formulirt, zu erneuter Verhandlung zu bringen.
Bereits hatte er im März einen Concurrenten in dem badischen
Minister Baron Meysenbug gefunden; welcher einen der
Beust'schen Vorschläge, die Errichtung eines Bundesgerichts,
1) Preußen im Bundestag, Bd. IV, S. 264 ff.