1857 Politische Grundsätze des Prinzen. 287
Diesem entgegenzutreten, ist sehr gefährlich, da es Mißtrauen
des Herrschers gegen das Volk bekundet. Nicht durch Re-
strictionen der Verfassung, die eben ein solches Mißtrauen
zeigen, sondern durch weises Nachlassen und Anziehen der
Zügel ist die Regierung zu befestigen. Sie ist mit der Regu-
lirung eines Flußbettes zu vergleichen. Man muß die Ufer
sichern, die Dämme nicht zu eng und nicht zu weit machen,
vor Allem nicht quer in den Fluß hineinbauen. In Eng-
land sind sie zu weit, in Kurhessen und in Hannover zu
eng. Hoffentlich treffen wir in Preußen die richtige Mitte.“!1)
Aus diesen Worten redete keine politische Theorie. Aber
schwer würde es sein, die praktischen Pflichten eines constitu-
tionellen Herrschers mit treffenderem Ausdruck und in liberalerem
Sinne zu bezeichnen. Z
Nicht minder bestimmt, als seine Ansicht des con-
stitutionellen Systems, war seine Auffassung von Preußens
Stellung in Deutschland.
Wie sein Bruder, war er nach seinen Jugenderinnerungen
von Herzen zu einer warmen Freundschaft mit dem öster-
reichischen Herrscherhause geneigt, und bei seiner conservativen
und loyalen Gesinnung durchaus gewillt, die Rechte auch
der übrigen deutschen Bundesfürsten in weitem Umfange zu
achten. Nur forderte er dabei die volle Gegenseitigkeit, die
Gleichberechtigung Preußens und Osterreichs, die Anerkennung
der Ehre und der Lebensbedingungen Preußens im deutschen
Bunde: nie hätte er sich gestattet, wie es bei Friedrich
Wilhelm IV. mehrmals geschehen, aus Großmuth oder Edel-
sinn das kleinste der ihm anvertrauten Staatsinteressen seinen
1) Eigenhändige Aufzeichnung vom 20. Juni 1860.