Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band. (2)

298 Antritt der Regentschaft. 1858 
sollte, war nahe. Die Geduld des Prinzen ging zu Ende, 
und am 8. August forderte er das Staatsministerium zu 
einem Gutachten auf, ob der gegenwärtige Zustand ohne 
Verletzung der Landesverfassung noch ferner verlängert werden 
könne. Die Krisis war um so dringender, als die Legislatur- 
periode zu Ende ging, und eine allgemeine Abgeordnetenwahl 
nöthig wurde. Das Staatsministerium berieth die Frage in 
mehreren Sitzungen. Herr von Westphalen blieb aus den 
oben erwähnten Gründen bei der Ablehnung der Regentschaft, 
und beantragte mindestens Vertagung der Sache bis nach 
Vollendung der Landtagswahlen. Dagegen erklärten sich 
aber mit großer Schärfe die beiden Minister von Manteuffel, 
da es wahrhaft heillos sein würde, dem bevorstehenden Wahl- 
kampfe die Frage „königlich oder regentschaftlich“, die bereits 
in der Presse eifrig behandelt wurde, als Parteilosung zu 
überliefern. Die Mehrheit stimmte zu, und der Bericht des 
Ministeriums sprach sich am 6. September für die verfassungs- 
mäßige Nothwendigkeit der Regentschaft und deren Herbei- 
führung in den vom Justizminister vorgeschlagenen Formen aus. 
Noch einige Wochen der Überlegung vergingen. Der 
Prinz in seiner Gewissenhaftigkeit wog unaufhörlich die 
Pflichten gegen den Staat, den Bruder, sich selbst, ab; je 
unabweisbarer die Stunde der Entschließung heranrückte, desto 
tieser empfand er die Schwere der auf sein Haupt gelegten 
Verantwortung. Er suchte eine mündliche Verständigung mit 
der Königin, die Zusammenkunft scheiterte aber an einem zu- 
fälligen Hinderniß. Auch Manteufsel erlangte die zweimal 
bei der Königin nachgesuchte Audienz nicht. Am 20. September 
berief der Prinz eine Sitzung des Gesammtministeriums, wo 
in seiner Gegenwart Simons und Westphalen das Für und
	        
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