1859 Diplomatische Vermittlungsversuche. 319
aber als Angeklagter gegenüber dem verhaßten Sardinien vor
dem Tribunal der übrigen Mächte zu erscheinen? Man sollte
die Fremden einreden lassen in die von Europa geschaffenen,
seit einem Menschenalter geübten Herrscherrechte? Lieber ginge
ich an den Galgen, als in diese Conferenz, soll Graf Buol
gerufen haben. Man lehnte den Antrag nicht kurzer Hand
ab, man machte aber Weiterungen im Einzelnen, zuerst über
den Ort des Congresses, dann über seine Vorbedingungen.
Man erklärte jede Verhandlung unmöglich, so lange nicht
Sardinien die Freiwilligen Garibaldi's entlassen und sein
Heer auf Friedensfuß gesetzt habe, dann werde auch Oster-
reich abrüsten und in den Congreß eintreten. Rußland und
England fanden, daß Piemont durch die doppelt stärkere
Truppenmacht des Gegners viel mehr bedroht sei, als ster—
reich durch das kleine piemontesische Heer; sie schlugen also
gleichzeitige Entwaffnung vor. Napoleon blieb sanftmüthiges
Gesichts, nahm jeden Vermittlungsvorschlag an, ängstigte
Cavour nicht wenig durch diese grenzenlose Nachgiebigkeit,
sagte dann aber dem sardinischen Gesandten in's Ohr: macht
Euch keine Sorgen, aus alledem wird nichts.
Er hatte das österreichische Cabinet richtig beurtheilt.
Graf Buol begann allerdings zu zaudern, in der Besorgniß,
durch falsche Schritte die Gunst Europas dem Gegner zuzu-
wenden. Aber die Entscheidung lag nicht mehr in seiner
Hand. Die Häupter der vornehmen Officiere und des höhern
Klerus, der Chef des Militärcabinets, Graf Grünne, und der
Exzbischof von Wien, Cardinal Rauscher, drängten den Koaiser,
nicht bloß jede Nachgiebigkeit abzuweisen, sondern so schnell
wie möglich den heiligen Kampf gegen die offene Revolution
in Turin und die heuchlerische in Paris zu beginnen. Mit