1859 Getheilte Stimmungen in Deutschland. 337
sein, aber bayerisch, schwäbisch, sächsisch bleiben, und vor
Allem weder preußisch noch österreichisch werden. Allerdings
bestand auch zwischen den italienischen und den deutschen Ver-
hältnissen ein erheblicher Unterschied. In Italien waren außer
Sardinien die Fürstenhäuser Fremde, und höchstens in Tos-
cana einiger Maaßen mit dem Lande verwachsen, während der
Kirchenstaat sich der zugleich unfähigsten und erdrückendsten
Verwaltung in Europa rühmte: jeder Tag hielt dort den
Drang zur nationalen Einheit und Befreiung trotz des auch
hier vorhandenen Municipalgeistes lebendig. Dagegen in
Deutschland herrschten überall angestammte, im Lande ein-
heimische Fürstengeschlechter, und wenn in Hannover, Kur-
hessen, Nassau die Regierungen mit harter Hand jede selb-
ständige Regung niederhielten, so war es in Sachsen und
Bayern, in Württemberg und Darmstadt der Masse der
Bürger ganz wohl in ihrer Haut, und die Regierungen nahmen
zur Erhaltung dieser Stimmung bereitwillig Rücksicht auf die
in der Presse und den Kammern hervortretenden Begehren.
So blieb hier beim Volke die Einheit eine Theorie, die Praxis
particularistisch.
v. Sybel, Begründung d. deutschen Reiches. II.