1859
3. Capitel.
Deutsche Reformfragen.
Der Prinz-Regent hatte sehr bald Veranlassung, seinen
Gedanken über die so lebhaft wieder aufgeworfene Frage der
Bundesreform einen vorsichtigen Ausdruck zu geben. Fort
und fort glaubte er an ein deutsches Reich der Zukunft, im
Augenblick aber schien ihm das Ausstecken eines solchen
Banners höchst gefährlich. Bei der heftigen Spannung mit
Osterreich, der gereizten Empfindlichkeit der Mittelstaaten und
der geräuschvollen Abneigung der süddeutschen Bevölkerung,
sah er aus der Forderung deutscher Einheit eine giftige Saat
innerer Zwietracht aufgehen, während bei der Unberechenbar=
keit der napolconischen Politik und der zweideutigen Haltung
Rußlands, dessen Kaiser dem Prinz-Regenten übrigens bei
einer persönlichen Zusammenkunft in Breslau die wärmsten
Freundschaftsversicherungen aussprach, gerade damals gegen-
seitiges Vertrauen und festes Zusammenschließen aller deutschen
Kräfte dringendes Bedürfniß erschien.
Was bei ihm Ergebniß der momentanen Lage war, trat
bei der Mehrzahl der Minister beinahe als festes Glaubens=
bekenntniß auf. Graf Schwerin, ein Führer der früheren
liberalen Opposition, der wenige Monate nach dem Beginne
der Regentschaft an Flottwell's Stelle das Ministerium des