348 Deutsche Reformfragen. 1859
Bundestag darin eine revolutionäre Tendenz wittern. Es
verstand sich, daß nach diesen Ausführungen Gruner's Auf—
satz sich entschieden gegen Usedom aussprach; es mag gleich
hier angeführt werden, daß bei dem weitern Verlaufe der
Sache auch die preußischen Gesandten, Herr von Sydow in
Cassel, Herr von Savigny in Dresden, Herr von Werther
in Wien, sich zu derselben Farbe bekannten, und dadurch das
Vorgehen ihrer Regierung nicht gerade erleichterten.
Indessen reiste Schleinitz zur Berathung der Sache nach
Baden-Baden, wo damals der Prinz-Regent mit Auerswald
Aufenthalt genommen, und wohin jetzt auch Usedom berufen
wurde. Dieser brachte weiteres Material zur Beurtheilung
der begangenen Mißgriffe in Fülle mit, und legte am
7. October den Entwurf des im Bundestage abzugebenden
Votums vor. Der Regent nahm von Allem genaue Kenntniß;
Auerswald sprach sich sofort für Usedom's Standpunkt aus;
allmählich ließ auch Schleinitz ein Bedenken nach dem andern
fallen, und schließlich entschied der Regent gemäß seinem
Worte vom 8. November: Die Welt muß wissen, daß Preußen
überall das Recht zu schützen bereit ist. Usedom's Votum
wurde genehmigt; eine ausführliche Denkschrift über die ganze
Frage, durchaus nach Usedom's Sinn, am 10. October von
Geheimrath Abeken fertig gestellt, und nachdem am 11. ein
vollzähliger Ministerrath auf Befehl des Regenten noch ein-
mal die Angelegenheit geprüft und daun einmüthig seine
Zustimmung ausgesprochen hatte, an demselben Tage nach
Wien mit dem Ersuchen um Osterreichs Beitritt abgesandt.
Zugleich wurde bemerkt, daß bei dieser Rechtsfrage Preußen
in seinem Entsehluß unwiderruflich feststehe, und also auch,
wenn Österreich versage, danach handeln werde.