350 Deutsche Reformfragen. 1859
Schande der deutschen Nation dargestellt, und keinem Zweifel
konnte es unterliegen, daß demnächst die Kammern der
deutschen Staaten fast ausnahmslos ihre Stimme für den
preußischen Antrag und gegen die Mehrheit des Bundestags
erheben würden.
Um so unangenehmer war die Mehrzahl der deutschen
Regierungen durch Preußens Auftreten berührt. Der Arger,
daß dieses Cabinet jetzt auch in Süddeutschland Popularität
gewinnc, wurde durch das Bewußtsein geschärft, im Jahre
1850 zur Bekämpfung der preußischen Union für eine durch
und durch faule Sache Partei ergriffen und damit sich selbst
Jahr für Jahr die Hände immer ärger beschmutzt zu haben.
Keiner der Souveräne oder Minister hatte Achtung vor dem
Kurfürsten oder Hassenpflug gehabt: sie ballten die Faust in
der Tasche, um solcher Freunde willen jetzt vor die Wahl
gestellt zu sein, entweder mit Preußen das eigene Werk als
gesetzwidrig und untauglich wegzuwerfen, oder den erregten
Zorn des ganzen deutschen Volkes auf sich und den Bundestag
zu ziehen, und dem Nationalverein ein unschätzbares Material
für seine abscheuliche Forderung eines deutschen Parlaments
zu liefern. Und sie wären so gerne populär geblieben, in
dieser schlimmen Zeit, wo durch den italienischen Krieg
Osterreichs Macht erschüttert, Preußens Ansehen gehoben,
das Blut der Nation in Wallung gerathen war. So begann
man, mit Preußen zu unterhandeln. Graf Rechberg be-
dauerte, daß Preußen trotz der Abrede vom August seine
Ansicht ohne vorheriges Benehmen mit Wien unwiderruflich
festgestellt habe, wies darauf hin, daß die jetzt von Preußen
so hart beurtheilte Verfassung von 1852 vorwiegend die
Schöpfung preußischer Arbeiter gewesen; jedesfalls sei durch