360 Deutsche Reformfragen. 1860
nichts als Unheil, Annexion, Vernichtung fürstlicher Souve-
ränität hervorgehen. Nach langem Sinnen entschloß er sich,
der Gefahr dicht auf den Leib zu rücken, fuhr die Nacht durch
nach Berlin, und trat früh Morgens am 13. Juni bei dem
Regenten ein. Du darfst nicht hingehen, rief er, oder Du
mußt alle deutschen Fürsten und den Kaiser von Osterreich
ebenfalls zu der Zusammenkunft einladen. Der Regent, etwas
verwundert über den Eifer, ließ die Erwähnung des Keisers
von Osterreich auf sich beruhen, lud zunächst den hohen Inter-
pellanten selbst ein, und schrieb dann auch zu gleichem Zweck
an König Johann von Sachsen. Ich konnte niemand ein-
laden, sagte er nachher, und niemand ausschließen, aber ich
wollte nicht, daß es aussehe, als dächte ich etwas hinter dem
Rücken Deutschlands zu thun.
Wir müssen über diese Zusammenkunft etwas näher
berichten, nicht, als wären dort wichtige Ergebnisse erzielt
worden, sondern weil ihr Verlauf so ungemein charakteristisch
für den Prinz-Regenten ist, der jeden Gedanken abwies, die
französische Zuvorkommenheit als diplomatisches Pressions-
mittel gegen die deutschen Widersacher seiner nationalen
Zwecke zu benutzen, und sich mit unbedingter Offenheit
als Vertreter aller deutschen Staaten Napoleon gegenüber
stellte.
Am 14. Juni kam der Regent in Baden an, wo König
Max schon seit einigen Tagen eingetroffen war; die drei andern
Könige, und eine Anzahl kleinerer Fürsten, Baden als Haus-
herr, Darmstadt und Nassau, Weimar und Coburg waren
ebenfalls erschienen. Der Regent sprach ihnen seinen Ent-
schluß aus, keine Gebietsveränderung auf Kosten Deutschlands
oder deutscher Staaten zuzulassen. Die vier Könige ver-