378 Streit über die Heeresreform in Preußen. 1859
vielmehr ergaben sich auf allen Seiten Ungerechtigkeiten und
Übelstände schwerster Art. Wie vorher erwähnt, gehörte die
Landwehr ersten Aufgebots, also die gedienten Männer vom
25. bis zum 32. Lebensjahr, zur activen Feldarmee; bei den
Mobilmachungen von 1849, 1850 und 1859 hatte sich nun
gezeigt, daß unter ihnen die Hälfte verheirathet und Familien-
väter waren, deren Tod einen ganzen Hausstand ruiniren
mußte, und die man dennoch dem feindlichen Feuer aussetzte,
während man viele Tausende lediger Jünglinge ruhig hinter
dem Ofen sitzen ließ. Allein damit nicht genug. Zwischen dem
Officiercorps der Linie und jenem der zum Kriege einberufenen
Landwehr war der Abstand groß. Jencs aus Berufssoldaten
gebildet, die, stets im Dienst, fest mit den Truppen verwachsen
waren, dieses zum größten Theil aus früheren Einjährig-
Freiwilligen hervorgehend, die sonst ihren bürgerlichen Ge-
schäften lebten und erst bei der Mobilmachung mit ihrer
Truppe bekannt wurden. Dabei waren sie selbst wie ihre
Mannschaften, wenigstens für den Anfang, der strammen
Disciplin und der Sicherheit der taktischen Bewegungen ent-
wöhnt; bei aller Kraft und Tapferkeit war demnach die
innere Consistenz und die schlagfertige Gelenkigkeit ihrer Ba-
taillone geringer als bei der Linie. Nicht genug, daß man
50000 Familienväter in die erste Reihe der Kämpfer stellte,
man brachte sie auch in schlechterer Organisation als die
jungen Männer der Linie vor den Feind. Die Wirkung
hatte der Prinz-Regent selbst 1849 beim badischen Feldzug
in der schwächern Manövrirfähigkeit und den daraus folgenden
unverhältnißmäßigen Verlusten der Landwehr vor Augen ge-
habt, und schon damals seinen Entschluß gefaßt, daß hier
eine Anderung von Grund aus eintreten müsse.