390 Streit über die Heeresreform in Preußen. 1860
Regimentsverbände und die definitive Ernennung der Officiere
und Unterofficiere. Im October wurden den Regimentern
ihre Fahnen oder Standarten verliehen, im Januar 1861 die
feierliche Einweihung dieser Feldzeichen vollzogen. Fortan
konnte ein Jeder sich sagen, daß dies nicht mehr provisorische,
sondern bleibende Formationen waren, zu deren Auflösung
der Regent sich nimmermehr nach freiem Willen entschließen
würde. Die neugestaltete Armee stand, eine vollendete That-
sache, da. Um so größer aber war seitdem die Enttäuschung,
und bald die Erbitterung im Lande. Patow hatte gesagt,
Alles bleibe provisorisch, Alles könne, wenn der Landtag die
Mittel verweigere, wieder reducirt werden. Nun folgten die
Fragen, ob die Tausende der Officiere provisorische Patente
hätten? Ob die 117 Bataillone bei einem Abstrich im Budget
wieder verschwinden würden? Die Regierung, sagten die
Gemäßigten, hätte vor der Bewilligung des Credits ihre
Absicht deutlich erklären müssen. Ein naives Verlangen, riefen
die Eifrigen, wollt Ihr denn schlechterdings nicht sehen, daß
Alles schlau ersonnen war, um Euch zu betrügen? So fraß
Zorn und Verdruß immer weiter um sich, und obgleich da-
mals anstatt des conservativen Simons der liberale Bernuth
Justizminister wurde, steigerte sich die Abwendung von dem
Ministerium in solchem Maaße, daß bei zwei Nachwahlen im
Herbste dieselben Wahlmänner, welche 1858 jeden Demokraten
von 1848 zurückgewiesen hatten, jetzt zwei Häupter dieser
Partei, Waldeck und Schulze-Delitzsch, in das Haus der Ab-
geordneten sandten.
Unter so trüben Vorzeichen für die innere Politik erlebte
Preußen den Thronwechsel. Am 2. Januar 1861 endigte
der Tod das düstere Leiden Friedrich Wilhelm's IV., und